Bin ich stark genug? Über die Stärke von Frauen in Missbrauchsbeziehungen

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Gestern schrieb eine Frau, dass ihr Mann ihr vorwirft, sie wäre nicht belastbar genug.

Sie hat zwei kleine Kinder und einen Mann, der ihr täglich solche und ähnliche Dinge sagt. Viele Frauen in Missbrauchsbeziehungen hören von ihrem Partner, sie wären nicht stark genug, sie würden ohne ihn sowieso nicht klar kommen oder sogar, er wäre der einzige, der mit ihnen klarkommt (weil sie ja angeblich so schwierig sind). Dadurch werden Frauen geschwächt und entmutigt. Wenn man selbst sowieso schon sensibel ist und sich selbst und sein Verhalten in Frage stellt, können solche Aussagen zusätzlich schwächen.

Fakt ist für mich: allein, dass eine Frau eine solche Lebenssituation aushalten kann zeigt, dass sie eine enorme innere Stärke und Kraft hat. Trotz dieser täglichen Kränkungen ein Leben mit kleinen Kindern zu meistern und weiterhin Energie in den Alltag, die Familie und die Beziehung zu investieren und auf Besserung zu hoffen, zeugt von einer hohen Belastbarkeit und einem Glauben an das Gute. Sich gegen Beleidigungen, Beschimpfungen und Kränkungen innerlich abzugrenzen und trotzdem für die Kinder oder den Job weiter Alltag zu „spielen“, zieht sehr viel Energie.

Diese Kraft kann freigelegt werden, wenn die Frauen es schaffen, sich aus diesen schädlichen Beziehungen zu befreien. Wenn die Kränkungen des Partners nicht mehr zum täglichen Programm gehören, kommt die Energie langsam und allmählich zurück.

Fatalerweise glauben viele Frauen irgendwann selbst, dass sie es nicht schaffen können und zu wenig Kraft haben. Sie haben die Aussagen des anderen schon verinnerlicht. Sie sagen dann z.B.: „Ich weiß, dass ich mich trennen sollte. Aber ich habe keine Kraft dazu.“ Sicherlich zieht eine Trennung zusätzlich Energie. Gleichzeitig kann es aber auch sein, dass gerade durch die Entscheidung und durch das Einstehen für sich selbst, sehr viel Kraft freigelegt wird, die vorher an den Partner und die schädliche Beziehung gebunden war.

Wenn Du also denkst, dass Du zu wenig Kraft hast: Denk einmal daran, wieviel Kraft Du womöglich schon viele Jahre in die Beziehung investiert hast. Das sind Kräfte, die viele andere Menschen nicht haben. Diese Kräfte kannst Du endlich für Dich und Deine Kinder nutzen.

Bild: Pixabay, kikatani

3 Kommentar

  1. Liebe Rona, vielen Dank für diesen Beitrag!
    Es bedarf einer enormen Stärke, um eine solche Belastung auszuhalten! Denn wer – und da fasse sich ein jeder an die Nase – kann es auf Dauer/längerfristig ertragen, immer nur gesagt zu bekommen, dass er etwas falsch mache (im weitesten Sinne). Gerade wenn kleine Kinder im Haus sind, verkürzt sich der Kontakt zu anderen, einfach weil der Alltag wenig Raum lässt. Dann ist das manchmal nur noch das, was man zuhause erlebt und das ist immer nur abwertend. Noch schlimmer, wenn der Kontakt zur Außenwelt bewusst kontrolliert bis unterbunden wird. Auch das subtil und unterschwellig!

    Aber nennen wir das Kind ruhig beim Namen:
    Das ist nichts Harmloses, das ist seelische Gewalt im Reinformat!

    Mit den Worten der französischen Viktimologin und Psychoanalytikerin Marie France Hirigoyen:
    „Man spricht von seelischer Gewalt, wenn sich jemand einer Reihe von Verhaltensweisen und Äußerungen bedient, die darauf abzielen, den anderen herabzusetzen, ihn in seinen Wesen zu verneinen. Sämtliche Worte oder Gesten haben den Sinn, den Mitmenschen zu destabilisieren oder zu verletzen.
    In zornigen Momenten können wir uns alle zu kränkenden, verächtlichen Äußerungen oder taktlosen Gesten hinreißen lassen, aber für gewöhnlich bedauern wir solche Entgleisungen im Nachhinein und entschuldigen uns dafür.
    Bei der Seelischen Gewalt dagegen handelt es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher, sondern um ein bestimmtes Verhalten in der Partnerschaft. Man verneint den anderen, degradiert ihn zum Objekt. Ziel eines solchen Vorgehens ist es, den anderen zu unterwerfen und zu kontrollieren und dabei selbst die Macht zu behalten. Es handelt sich um ein subtiles Quälen. Sehr oft sagen die Opfer, der Terror beginne mit einem verächtlichen Blick, einem demütigenden Wort, einem drohenden Tonfall. Ohne dass ein Schlag ausgeteilt worden wäre, soll die Partnerin oder der Partner verunsichert werden, soll eine Spannung entstehen, die ihr oder ihm Angst macht, ihr oder ihm die eigene Macht demonstriert……“

    Es gibt in der Missbrauchsbeziehung keine körperliche Gewalt, ohne dass nicht im Vorfeld nicht mit kleinen Schikanen der Boden bereitet wurde. Die körperliche Gewalt kommt häufig erst dazu, wenn man sich widersetzt; wenn man sich nicht so unterwürfig verhält, dass der Machtanspruch des Aggressors befriedigt ist: Doch in dieser Unterwürfigkeit ist man bereits nur noch ein Schatten seiner Selbst.

    Erschwerend kann hinzukommen, dass das Umfeld – wenn man denn noch eines hat – die Massivität und die Destruktivität des Verhaltens nicht wahrnehmen kann. Wie soll es auch erkennen, dass die Abwertungen der Dauerzustand sind? Da kommt dann gerne „Man solle sich nicht so anstellen!“, wenn bei einem Abendessen im Freundeskreis das Spässchen auf Kosten des Partners gemacht wird.

    Sollte man feststellen, dass es ein dauerhaftes und strukturelles Verhalten ist, dass immer nur Kritik kommt, dass man immer alles falsch macht, dass man immer Schuld an allem ist oder gar einem erklärt wird, was man fühle, und zwar so, dass es einem deutlich unangenehm ist, dann gibt es nur einen Weg: Raus aus einer solchen Partnerschaft! Sie ist destruktiv und egal, was man macht, es wird nie recht sein, weil es das nicht sein darf.
    Tatsächlich ist der Aggressor der Schwache, der mit diesem Verhalten, den anderen permanent abzuwerten, seine eigene Schwäche auszugleichen sucht: Hat er Macht, wertet er sich für sich auf. Wertet er ab, hat er das nötig, um seine eigene Schwäche zu kaschieren.
    Wie verunsichert und geschwächt man bereits ist, zeigt sich gerne, wenn man sich und seine eigene Würde nicht mehr vor dem Umfeld verteidigen kann, wenn kommt: Das sei doch alles harmlos oder gerade wenn Kinder im Spiel sind und dann die Leier kommt: „Kinder bräuchten doch eine heile Familie“. Das hat alles nichts mehr mit einer heilen Familie zu tun.
    In einer gesunden Partnerschaft hat keiner der Partner es nötig, ständig und im Dauermodus, den anderen abzuwerten. Und NEIN, man selber macht gar nichts falsch! Man kann nichts richtig machen!

    Ich kann die beiden Bücher „Warum tust Du mir das an?“ und „Die Masken der Niedertracht“ von Marie-France Hirigoyen nur wärmstens empfehlen, weil das, was man durchmacht oder durchgemacht wurde, bereits schon wieder in eine objektivere Dimension zurechtgeruckelt wird.
    „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Das sollte erst Recht in einer Partnerschaft oder Familie gelten.

  2. Tolle Artikel
    Vielen Dank
    Es tut gut zu lesen das man doch nicht einfach nur dumm und unfähig zu sein scheint

  3. Ich will mich nicht mehr fragen: Wer bin ich ohne ihn? ich frage mich jetzt: Wer bin ich mit mir an meiner Seite?

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