Du darfst die Hoffnung aufgeben …um Dich frei zu machen

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„Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben.“

Wie oft hört man diesen Satz gerade in Krisensituationen? Wie oft sagt man sich das selbst? Dieser Satz soll stärkend sein. Er soll Dir eine Perspektive geben für die Zukunft und er soll beruhigen. Es wird alles wieder besser werden. Es wird sich ein Weg finden. Irgendwie wirst Du diese schwierige Situation bewältigen wie viele andere vorher. Das Leben geht weiter.

Ich halte diesen Satz nicht für hilfreich. Für mich gilt inzwischen:

„Ich darf die Hoffnung aufgeben,
und zwar vollständig.“

Jetzt spinnt sie aber, denkst Du bestimmt. Wie kann sie das sagen? Und warum?

Hoffnungen und Erwartungen können sehr viel Energie geben. Sie können aber auch sehr unglücklich machen und sehr viel Energie in ungünstiger Weise binden. Das gilt insbesondere dann, wenn Du auf die Erfüllung einer Hoffnung oder Erwartung wenig bis gar keinen Einfluss hast.

Ein paar Beispiele:

  • Du wünscht Dir, dass Dein Partner oder Ex-Partner endlich Verständnis für Dich zeigt und sein Verhalten ändert. Du kannst nun versuchen, mit ihm zu reden. Ob er aber sein Verhalten wirklich ändert wie Du das erwartest und erhoffst, steht in den Sternen. In einer funktionierenden Beziehung mag das noch möglich sein. Nach einer Trennung sinkt die Wahrscheinlichkeit aber, weil meist auf beiden Seiten der Stolz verletzt ist und daher wenig Kompromissbereitschaft vorhanden ist.
  • Du hoffst, dass Deine Kinder sich endlich weniger streiten. Du überlegtst, wie Du Einfluss nehmen kannst. Du liest vielleicht kluge Bücher oder gehst zu einer Erziehungsberatung. Du probierst viele Wege aus, um Eure familiäre Situation zu entspannen und übernimmst die Verantwortung für eine Verbesserung. Du strengst Dich so richtig an. Aber Du bist nicht Deine Kinder. Wenn dann der nächste Streit ausbricht, bist Du wahrscheinlich frustriert und hast das Gefühl, dass Deine Erziehung scheitert.
  • Du hast eine chronische Schmerzerkrankung. Du probierst alle möglichen Therapieformen aus. Jeder hat eine neue Idee, was Du tun kannst, damit der Schmerz endlich weggeht. Du kämpfst mit allen Mitteln gegen den Schmerz. Aber der Schmerz bleibt und wird vielleicht sogar stärker. Du hörst, dass Du etwas an Deiner Einstellung ändern musst. Aber auch das bringt wenig Erfolg.
  • In der Beziehung mit Deinem Partner fühlst Du Dich zunehmend unwohl und schlecht, weil Du Dich kontrolliert und eingeschränkt fühlst, weil Du ständig direkt oder indirekt erniedrigt wirst oder weil ein Streit regelmässig eskaliert. Es gibt auch sehr schöne Phasen. Daher gibst Du die Hoffnung für Eure Beziehung nicht auf, versuchst Dich anders zu verhalten und versuchst, mit Deinem Partner zu reden – ohne nachhaltigen Erfolg.
  • Dein Partner schlägt Dich oder Deine Kinder. Er ist ja sonst ein toller Partner und Vater. Daher hoffst Du, dass sich das irgendwann schon ändern wird.
  • Du hast einen Kunden, der Dir das Leben zur Hölle macht, ständig unzufrieden ist, viel meckert, viel Leistung fordert und trotzdem wenig Geld bezahlt. Du lässt Dir das alles gefallen, weil Du hoffst weitere Aufträge zu bekommen und weil Du denkst, es Dir nicht leisten zu können, den Kunden abzulehnen. Du hoffst, dass der Kunde sich ändert, wenn Du nur gut genug arbeitest.
  • Du wünscht Dir, dass der Vater Eurer Kinder sich mehr um die Kinder kümmert. Du wünscht Dir als alleinerziehende Mutter Entlastung. Er ruft aber so gut wie nie an und zeigt wenig Interesse. Du versuchst ihn immer wieder zu überzeugen, indem Du ihm schreibst oder ihn anrufst, aber es ändert wenig an der Situation.
  • Dein Partner hat sich in eine andere Frau verliebt und trennt sich von Dir. Du kannst einfach nicht glauben, dass das wahr ist und leidest furchtbar. Du hoffst, dass er wieder zurückkehrt und tust ganz viel dafür, um ihn zurückzugewinnen. Er lässt Dich aber immer wieder abblitzen.

In Beziehungen mit anderen Menschen ist die Hoffnung ein trügerischer Helfer. Wenn Du Deine ganze Kraft in die Hoffnung auf einen anderen Menschen setzt, kannst Du sehr enttäuscht werden. Die Hoffnung ist ein in die Zukunft gerichtetes Wunschdenken. Es hat mit Deiner jetzigen Situation wenig zu tun. Du hast wenig Einfluss auf den Verlauf. Du weißt nicht, ob sich Deine Hoffnungen bewahrheiten und erfüllen. Sicherlich kannst Du selbst Dein Bestes geben. Aber ob der andere sein Bestes gibt, ist niemals garantiert. Du weißt auch nie wirklich, was für den anderen sein Bestes ist. Auch drumherum gibt es viele Unwägbarkeiten. Das Leben ist ständig im Fluss und in Bewegung. Es gibt keine Garantie für einen bestimmten Verlauf, den Du Dir erwünscht, und das ist auch gut so.

Was geschieht nun, wenn Du Deine Energie nicht mehr in Hoffnungen und Erwartungen investierst?

  • Du landest im Jetzt und Du landest bei Dir.
  • Du ziehst Energie ab von Menschen, die Dir nicht gut tun und konzentrierst Dich stattdessen auf das, was Du selbst tun und ändern kannst.
  • Du gibst Dein Bestes ohne die Erwartung, dass das die anderen auch tun. Daher erlebst Du weniger Enttäuschungen.
  • Du kämpfst nicht mehr dafür, dass der andere sich ändert oder so verhält wie Du Dir das wünscht.
  • Es kann ein Raum für echte Veränderungen entstehen, da diese nun losgelöst sind von Erwartungen.
  • Du gewinnst einen klaren Blick auf die jetzige Situation und auf Deine Möglichkeiten.
  • Du machst Dich unabhängig vom Verhalten anderer.
  • Du kannst Dich entspannen, weil Du nicht mehr kämpfst und weil der Erwartungsdruck auf Dich selbst sinkt.
  • Du fühlst Dich freier, weil Deine Energie nicht mehr in trügerischen Hoffnungen gefangen ist.
  • Du kannst offener auf andere Menschen zugehen, weil Dein Blick nicht von Erwartungen getrübt ist.
  • Du gehst insgesamt freundlicher mit Dir selbst und auch mit anderen um.
  • Du kannst Dich besser abgrenzen und trennen von Menschen, die Dich nachhaltig verletzen.
  • Du nimmst Dein Leben selbst in die Hand.
  • Du machst selbst das Beste aus der jetzigen Situation.

In meinem Leben als alleinerziehende Mutter hilft es mir besonders, von Hoffnungen und Erwartungen Abstand zu nehmen und stattdessen die Möglichkeiten zu sehen, die tatsächlich gerade jetzt da sind. Im Umgang mit dem Ex-Mann kann eine solche Haltung sehr, sehr hilfreich sein, um sich nicht immer wieder in Streitereien zu verstricken, die zu nichts führen.

Hoffnungen können ein Gefängnis sein. Daraus darfst Du Dich befreien.


Bild: Pixabay, PublicDomainPictures

 

16 Kommentar

  1. Also hier möchte ich vehement widersprechen. Was du im ersten Teil beschreibst hat mit Hoffnung so gar nichts zu tun sondern ist kindliches Wunschdenken.
    Hoffnung bedeutet ganz was anderes. Zum Beispiel wenn dein partner dich schlecht behandelt wird die Hoffnung dass du ein besseres Leben ohne ihn haben wirst dir durch eine schlimme Trennung helfen. Wenn du verlassen wirst kann dir die Hoffnung helfen, dass du irgendwann nicht mehr damit haderst sondern einen Sinn darin findest usw. In manchen Situationen ist es natürlich sehr schwer, aber dann kann man immer noch Hoffnung haben z.b. für seine Kinder oder vielleicht sogar nur noch für die Menschheit.
    Aber Hoffnung ist ein absolutes Grundbedürfnis des Menschen und ohne Hoffnung dürfte es wohl tatsächlich keinen Lebenswillen mehr geben.

    • Mir ist bewusst, dass ich mit dem Titel provoziere. Mir geht es hier insbesondere um Hoffnungen, die auf einen anderen Menschen gerichtet sind und auf die man nur wenig Einfluss hat. Es geht darum, falsche Hoffnungen aufzugeben, um sich selbst zu befreien. Für mich war das besonders im Rahmen meiner Trennung sehr, sehr wichtig, denn die Hoffnungen haben mich in der Beziehung gehalten – auch die Hoffnung IN der Beziehung etwas ändern zu können. Im Umgang nach der Trennung haben mir meine Hoffnungen ebenfalls nicht geholfen, sondern waren hinderlich. Inzwischen ist es für mich wirklich so wie ich es schreibe: Hoffnungen empfinde ich insgesamt als fragwürdig. Mir hilft es wirklich, Hoffnungen aufzugeben und loszulassen und stattdessen mit der Realität im Hier und Jetzt zu leben und mich darauf einzulassen. Das mindert nicht meinen Lebenswillen 😉

      • Ich weiß was du meinst und gebe dir recht. Ich finde nur die Wortwahl wirklich irreführend. Ich verstehe halt unter Hoffnung ganz was anderes.

  2. Oh danke danke….das hab ich gebraucht. Hab mich vor kurzem endgültig befreit. Und ja, diese elende Hoffnung hat mich Jahre in diesem Gefängnis gehalten und mir sämtliche Kraft und Lebensfreude geraubt. Es ist so wahr was du geschrieben hast !!

  3. Hallo Rona, in sehr vielen Gedanken, Artikeln finde ich mich und meine Situation wieder. Ich arbeite hart mit meiner Einstellung zu mir und meinem „vergangenen Leben“, ordne so langsam alles und sauge Information förmlich auf. Ich weiß, ich werde mir Zeit geben, wieder 100%ig zu mir zu finden. Schön, dass ich auf meinem Weg zu Deinen Seiten gestoßen bin, ich betrachte das nicht als Zufall sondern als Geschenk.

  4. Hallo Rona, ich hätte da eine Frage zum aufgeben von Hoffnungen.
    Mir ist es so ergangen, dass ich nach dem Aufgeben von Erwartungen immer noch gehofft habe. Ab da war nichts mehr überraschend oder schockierend, aber der Gedanke an die Vorstellung von Liebe in meinem Kopf wurde immer schmerzhafter.
    Ich kenne nur meine Realität und die des anderen nicht. Was Wahr ist und was ich mir selbst vorlüge ist nicht immer leicht zu unterscheiden. In Situationen in denen ich wieder einmal enttäuscht wurde ist der Schmerz so groß, dass man wirklich daran glaubt, dass man sich etwas vor macht. Aber dann kommt nur eine winzige Kleinigkeit vom Anderen und die Hoffnung ist wieder da. Ein Traum von Liebe.
    Ich habe das mal weiter gedacht; wenn ich die Hoffnung aufgebe, und dann stellt sich heraus, dass das worauf ich gehofft habe tatsächlich real ist, werde ich es merken und dann kehren Liebe, Freude und Harmonie ein.
    Wenn ich aber die Hoffnung aufgebe und sich dann heraus stellt, dass ich die ganze Zeit etwas gesehen habe das gar nicht existiert, dann ist es keine Enttäuschung mehr und ich bin davon frei.
    Also ist es ja im Grunde in jedem Fall nur Freiheit bringend die Hoffnung aufzugeben (in Zusammenhang mit anderen Personen).
    Jetzt zu meiner Frage: wie gebe ich die Hoffnung auf? immer wieder enttäuscht zu werden reicht scheinbar nicht.

    • Liebe Hanna,
      vielen Dank für Deinen wichtigen Kommentar. Du hast es sehr gut beschrieben und analysiert. Genauso habe ich es auch erlebt. Die Frage, wie man die Hoffnung aufgeben kann, ist nicht so leicht zu beantworten. Ich schaffe es für mich selbst immer wieder, indem ich mich auf mich selbst zurückbesinne und die Projektionen auf den anderen konsequent analysiere und hinterfrage. Inzwischen bin ich sogar der Überzeugung, dass ein großer Teil von „Liebesgefühlen“ auf Projektionen auf den anderen beruht und wenig mit echter Liebe zu tun hat. Am Ende kann man daraus eine Haltung kultivieren. Niemand kann Dir wirklich Deine Einsamkeit nehmen und Dir all die Liebe geben, die Du Dir wünschst. Stattdessen ist es wichtig, dass Du selbst lernst, gut zu Dir zu sein. Aus dieser Haltung heraus wirst Du dann auch eher Menschen an Dich heranlassen, die Dir wirklich gut tun und Menschen meiden, die Dich konstant verletzen. Ich kann aber nicht sagen, dass es eine einmalige Angelegenheit ist, sondern dass ich es als fortlaufenden Bewusstwerdungsprozess empfinde, bei dem ich auch immer wieder scheitere. Ich muss mich selbst auch immer und immer wieder daran erinnern und mir das bewusst machen. Den Märchenprinzen gibt es nunmal nicht. 😉

  5. Ich finde diesen Artikel so gut, genau passend für mich/uns gemacht. Wir kämpfen jeden Tag darum, die Hoffnung nicht mehr an uns ranzulassen. Es ist schwer! Besonders wenn man noch als Optimist geboren worden ist. Danke! Endlich mal ein Artikel wie ich ihn mir immer gewünscht habe. Nur konnte ich bis jetzt unser Problem nicht so richtig benennen. Da geb ich Ihnen völlig Recht! Hoffnung ist hinderlich, hat uns schon jede Menge Energie gekostet. Das muss aufhören!

  6. Wenn jemand eine chronische Schmerzerkrankung hat, dann fände ich es sehr destruktiv, wenn die/derjenige die Hoffnung auf Besserung aufgeben würde. Oder wie ist dieses Beispiel oben zu verstehen?

    • Hallo Claudia,
      ja, das ist natürlich ein schwieriger Punkt. Da gebe ich Dir recht. Ich hatte selbst jahrelang chronische Schmerzen und mir wurde immer vermittelt, ich solle halt einfach diese und jene Therapie machen etc. pp. Geholfen hat aber, die Hoffnung aufzugeben, das ohne OP zu schaffen. Inzwischen habe ich zwei künstliche Hüftgelenke und die Schmerzen sind weg. Die Frage ist einfach, in welche Richtung so eine Hoffnung gelenkt wird. Diesem Hoffnungsgedanken liegt ja oft zugrunde, dass man selbst alles ändert, wenn man die eigene Einstellung ändert. Davon halte ich wiederum nichts mehr.
      Viele Grüße
      Rona

  7. Hallo Rona,
    Ich finde deinen Artikel auch gut. Ich habe gegoogelt „die Hoffnung aufgeben“ weil ich gemerkt habe wenn ich etwas tue damit es mir besser geht (Depression, Persönlichkeitsstörung) dass das nie lange vorhält. Vielleicht tue ich auch das falsche, gehe die Situation falsch an. Und wenn ich mir sage „es wird nicht mehr besser, das wars“ kehrt Ruhe ein. Weil dann ist das alles nicht mehr so wichtig, dass was ich im Leben schmerzlich vermisse (eine gute Zukunftsperspektive, Freude, ein neues Leben beginnen). Dann habe ich mich damit abgefunden, meinen Frieden mit meiner Situation gemacht.
    Leider hält auch das nicht lang vor, weil tief in mir drinnen ist doch noch die Hoffnung dass „alles gut wird“. Aber ich glaube das ist ein Prozess. Ein Prozess des Loslassens, bis ich eines Tages wirklich nicht mehr auf die Hoffnung, das „Gute“ das eh nicht lange vorhält, reinfalle. Und dann bin ich wirklich frei.

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