Kinderschuhe Worüber man nicht redet: Häusliche Gewalt

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Grund sind ein Paar nicht richtig aufgeräumter Kinderschuhe. (***Triggerwarnung***)

Ein Kind, das am Boden liegt. Der darüberstehende Vater, der das Kind zuerst an einem Arm durch die Wohnung schleift und dann am Nacken zu Boden drückt, sein Kind. Das Kind schreit. Der Vater schreit. Dazwischengehen, erst ruhig reden, lauter werden, schreien. Er sagt, es wäre nicht ihre Sache, es gehe sie nichts an, sie solle gehen. Sie sagt, doch, das geht mich etwas an. Hör auf! Er hört nicht auf. Ein Versuch, ihn zurück zu boxen. In höchster Not. Das Kind verteidigen. Und dann zu Boden geworfen werden von ihm. Dort sitzen und der Realität nicht glauben wollen. Fast lachen müssen, weil es so schwach und arm ist von ihm, weil er so lächerlich ist. Ihm diese Erkenntnis verbal entgegenschleudern. Ihm in die Augen sehen und erschrocken feststellen, dass da noch tiefere Abgründe sind. Dass das erst ein Anfang ist von etwas, das man gar nicht kennen will. Dass das Kind eigentlich nur ein Instrument ist für seine Wut gegen sie.

Zum Glück geht er.

Das Kind im Arm halten, beruhigen. Wie soll man so etwas erklären? Allein sein mit den Fragen des Kindes, die eigentlich er beantworten müsste und die nicht wirklich zu beantworten sind. Unerträglich.

Und dann keine Entschuldigung. Er ist nicht erschrocken über sich selbst. Stattdessen bedroht er das Kind verbal und die Verantwortung und Schuld wird auf sie geschoben. Sie hat das Kind schlecht erzogen. Wenn sie das nicht alles falsch gemacht hätte, müsste er so nicht handeln. Sie zwinge ihn dazu. Mit Jungs müsse man anders umspringen. Sie solle ihm helfen.

Sie sagt, sie hilft ihm dabei nicht. Sie fragt ihn, was die Steigerung sein soll von dem, was er gerade getan hat. Was das ist, wovon er in seinen Drohungen spricht. Ihr gruselt es. Ihr ist schlecht. Sie weiß nicht, was sie tun soll. In ihr ist alles tot, abgestorben, eine weitere Hoffnung begraben, eine weitere Steigerung, die nicht für möglich gehalten wurde. Ein Realitätsschock.

Am Abend noch ein letzter Versuch der Klärung. Er vor dem Computer, kein Blick zu ihr. Er starrt in den Bildschirm. Als sie sagt, dass sie sein Verhalten unmöglich fand, greift er sie sofort wieder an und wirft ihr vor, dass sie ihn angreift. Verdrehungen wie immer. Bisher hat sie am Ende immer den Verdrehungen geglaubt, weil sie sich selbst in Frage stellt. Sie wusste nicht mehr, was richtig und falsch ist. Sie hatte sich verloren.

Heute nicht mehr.

Sie sagt, er muss gehen. Sie hat keine Hoffnung mehr. Er sagt, Du spinnst. Er sagt, er geht nicht. Er bleibt. Das ist auch sein Haus. Wie oft hat sie das schon gehört? Sie ist so müde. Sie sagt: Dann bleib. Aber es wird Dir nichts nützen. Sie bleibt diesmal fest. Sie weint nicht mehr, sie kämpft nicht mehr, sie versucht nicht mehr, ihn zu überzeugen. Sie ist einfach nur noch innerlich stumm und taub. Sie gibt alles auf. Sie will nicht mehr. Es reicht. Und sie weiß genau, was das heißt. Wohin der Weg für sie und die Kinder geht. Wie hart es wird.

Aber das will sie nicht noch einmal erleben, nie mehr. Und sie weiß, dass die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass es nochmal geschieht und nochmal und nochmal und vielleicht sogar schlimmer und schlimmer wird. Sie will noch nicht einmal mit einem Minimum an Wahrscheinlichkeit rechnen müssen. Sie will so nicht mehr leben. Sie will das nicht mehr in ihrem Zuhause haben.

Ihr Nicht-Kämpfen und Nicht-Schreien und Nicht-Weinen kennt er nicht. Es irritiert ihn. Er bricht ein. Er wird immer verzweifelter. Er bittet um Verzeihung und Verständnis. Er sagt, er liebt sie, er will sich bessern. Sie sitzt da wie ein stummer und tauber Fisch und denkt, nein, nicht mehr auf unsere Kosten. Sie starrt in die Wohnung. Sie setzt sich in den Nebenraum und starrt einfach nur vor sich hin. Dann geht sie ins Bett. Später kommt er einfach, als wäre nichts und will sich neben sie legen. Sie kann es nicht glauben. Sie steht auf und geht. Er hat nichts, immer noch nichts verstanden.

Schließlich fährt er.

In der Woche darauf packt sie wie in Trance seine Sachen in Kisten. Die Beratungsstellen sagen ihr, sie soll doch nochmal mit ihm reden und ihre Entscheidung überdenken. Schließlich ist bald Weihnachten.

Zum Glück tut sie es nicht.

 

Dies ist ein anonym eingesendeter Text über häusliche Gewalt, wie ihn so und ähnlich jede vierte Frau in Deutschland und ihre Kinder erleben.

Viele entwickeln immer wieder Hoffnung, dass es eine Chance auf Besserung gibt. Nur wenige wissen, dass die Wahrscheinlichkeit einer konstanten Steigerung der Gewalt sehr hoch ist und dass eine „Heilung“ innerhalb der Beziehung so gut wie ausgeschlossen ist. Wenn Dir so etwas geschieht: Du bist nicht Schuld! Du trägst keine Verantwortung für das Verhalten des anderen! Eine Paartherapie hilft nicht.

Nimm all Deinen Mut zusammen und trenn Dich!
Das ist die einzige Chance für Dich und Deine Kinder.

Lass Dir nach der Trennung von niemandem sagen, dass Du es nochmal versuchen solltest oder dass Du über Deine Verantwortung innerhalb der Beziehung nachdenken solltest. Lass Dich nicht wieder von Deinen Liebesgefühlen (ja, Du liebst ihn oft noch; das verstehen wenige) und den netten Beteuerungen Deines Ex-Partners einlullen, auch wenn Du ihm wegen der Kinder weiterhin begegnen musst.

Bleib dabei und suche Dir Menschen, die Dich in dieser Entscheidung ermutigen.

Eine Menge Hintergrundinformation und Hilfe findest Du bei www.re-empowerment.de. Sie bieten auch ein geschlossenes Forum für betroffene Frauen an.

Das Hilfetelefon Häusliche Gewalt des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben erreichst Du bundesweit kostenlos unter 0800 116 016

 

 

5 Kommentar

  1. Sehr guter Artikel, ich hoffe dass ihn viele Frauen lesen und auch den Mut haben auszubrechen! Denn jeder hat etwas besseres verdient und kann es auch alleine schaffen! Es ist vielleicht schwer, aber schlimmer als mit so einem Menschen zusammen zu leben kann es auch nicht sein. Und ganz, ganz wichtig: für eure Kinder seid ihr die einzige Mama und der Erwachsene auf den sie sich verlassen können MÜSSEN!!

  2. Genau so und noch etwas schlimmer so erlebt. Mein Ex hat auf meine Bitte der Trennung gesagt: Mich wirst du nicht mehr los! Ich willige einer Trennung niemals zu. Ich mach dich für den Rest deines Lebens fertig. Als ich die Tür im Flur zuhielt, damit er von den Kindern ablässt, haute er mir die Tür drauf und schmiss sich auf mich und schleifte mich durch den gesamten Gang mit seinem Unterarm an meiner Gurgel. Es wird niemals besser …. nur immer schlimmer und hemmungsloser. :'(

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