„Komm allein klar, wenn Du Dich trennst“ Wirtschaftliche Gewalt und #UVjetzt

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Ein unsichtbarer Aspekt von Beziehungsgewalt, der gern ausgeblendet wird, ist wirtschaftliche Gewalt.

Gestern war internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. Es wäre eigentlich der Tag gewesen, an dem ich über die erschütternden neuen Erhebungen über häusliche Gewalt hätte schreiben können. Oder über die brutale Mißhandlung einer Frau in Hameln – ein erneuter Beweis dafür, dass Frauen immer noch zu wenig Unterstützung erfahren, wenn sie ihr Schweigen brechen. Ich hätte auch darüber schreiben können, dass die deutsche Presse mal wieder ignorierte, dass Frauen in Hameln eine Mahnwache abhielten. Stattdessen saß ich im Zug und half mit, mit dem VAMV NRW, dem VAMV Bundesverband, Christine Finke und Alexandra Widmer, eine Petition ins Leben zu rufen und zu verbreiten.

Wir fordern die schnellstmögliche Umsetzung des erweiterten Unterhaltsvorschusses für Kinder alleinerziehender Eltern.

Was hat das mit Phoenix-Frauen und Beziehungsgewalt zu tun, fragst Du Dich vielleicht. Sehr viel. Wenige Menschen denken bei häuslicher Gewalt an Geld. Man denkt an blau geschlagene Gesichter. Es kann aber auch große und dauerhafte Narben in der Seele hinterlassen,

  • Wenn Dir schleichend Kontrolle über gemeinsames Geld und Vermögen entzogen wird
  • Wenn Du für jeden Cent um Erlaubnis bitten musst
  • Wenn Du kein eigenes Geld mehr zur Verfügung hast
  • Wenn Dein eigenes Geld und eigenes Vermögen von Deinem Partner verschleudert wird
  • Wenn Dein Partner nicht bereit ist, sich am Lebensunterhalt zu beteiligen
  • Wenn Dein Partner Dir offen oder verdeckt Geld stiehlt
  • Wenn Dein Partner Dir die gesamte finanzielle Verantwortung für die gemeinsame Familie überlässt
  • Wenn Dein Partner maßgeblich dazu beiträgt, dass Ihr Euch verschuldet
  • Wenn Dein Partner Dich in schwierigen Lebensphasen wie Krankheit, Schwangerschaft, Wochenbett nicht finanziell mit unterstützt, sondern von Dir verlangt, allein zurecht zu kommen.
  • Wenn Dein Partner Dir verbietet, arbeiten zu gehen
  • Wenn Dein Partner Deine berufliche Weiterentwicklung blockiert

Nach einer Trennung mit gemeinsamen Kindern hat der gewalttätige Partner noch eine weitere Möglichkeit, wirtschaftliche Gewalt auszuüben, und zwar:

  • Wenn er nicht bereit ist, Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zu zahlen
  • Wenn er sich selbst arm rechnet, Vermögen unterschlägt und dadurch angeblich keinen Unterhalt zahlen kann
  • Wenn er sich bewusst einen Job mit einem geringen Verdienst sucht oder arbeitslos meldet und schwarz arbeitet, damit er keinen Unterhalt zahlen muss.
  • Wenn er unzuverlässig zahlt und Frau und Kinder sich nicht auf das Geld verlassen können
  • Wenn er Konten sperrt und die Frau nach der Trennung keinen Zugriff mehr auf gemeinsames Geld erhält
  • Wenn er Frau und Kinder zwingt, aus dem bisher gemeinsamen Haus oder der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und sich eine andere Bleibe zu suchen. Hier kommt gern das Argument: Das ist auch mein Haus. Wenn Du Dich trennen willst, musst Du gehen.
  • Wenn durch die schwierigen, finanziellen Bedingungen, verhindert wird, dass die Frau sich überhaupt aus einer Gewaltbeziehung lösen kann oder gezwungen ist, zurückzukehren.
  • Wenn der Expartner eine Riesenwelle beim (Familien-)Gericht macht, z.B. wegen angeblichem Kindesentzug, und die Frau gezwungen ist, sich teure anwaltliche Unterstützung zu suchen und/oder mehrere teure Gerichtsverfahren zu durchlaufen.

Über wirtschaftliche Gewalt kann der Partner also auch nach einer Trennung noch einen langen Zeitraum direkt oder indirekt Gewalt auf seine Ex-Partnerin und gemeinsame Kinder ausüben.

Bisher stützt der Staat indirekt Partner, die keinen Unterhalt zahlen wollen. Es hängt von den Kommunen und den Jugendamtsmitarbeitern ab, ob Kindes-Unterhalt über eine Beistandschaft beim Jugendamt wirklich nachhaltig eingefordert und eingeklagt wird. Daher sind Kinder von alleinerziehenden Eltern besonders von Armut gefährdet. Der alleinerziehende Elternteil ist wiederum dadurch gezwungen den gesamten oder einen Großteil des Lebensunterhaltes selbst zu bestreiten. Viele rutschen dadurch, dass alleinerziehende Mütter ungern eingestellt werden, in HartzIV ab. Häufig wird die Mutter auch bei der Kinderbetreuung nicht oder nur schlecht vom Expartner unterstützt, oder der Expartner ist für sie wegen häuslicher Gewalt nicht vertrauenswürdig. Das bedeutet wiederum, dass keine Vollzeitarbeit möglich ist und dass diese Kinder nicht nur wenig Geld haben, sondern auch wenig Zeit mit ihren Eltern. Welche gesundheitlichen Auswirkungen das auf Alleinerziehende hat, hat Alexandra Widmer aufgeschrieben.

Wenn ein Expartner keinen Unterhalt zahlen kann oder nicht zahlen will, kann eine Alleinerziehende Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen. Der Unterhaltsvorschuss lief bisher aber nur bis zum 12. Lebensjahr eines Kindes und wiederum nur maximal 6 Jahre. Ab nächstem Jahr sollte dieser Vorschuss unbegrenzt bis zum 18. Lebensjahr gezahlt werden. Christine Finke hat die Fakten dazu zusammengefasst. Nun wird dieser Vorstoß wiederum politisch mit fadenscheinigen Argument blockiert.

An einem Tag, der international der Gewalt gegen Frauen gewidmet ist, fordere ich daher die deutschen Politiker auf, maßgeblich mit dazu beizutragen, wirtschaftliche Gewalt gegen Frauen nicht direkt oder indirekt mitzutragen und zu unterstützen. Maßnahmen wie #Schweigenbrechen funktionieren nur, wenn Frauen nach der Trennung aus einer Gewaltbeziehung auch wirtschaftlich geschützt und unterstützt werden – insbesondere wenn sie Kinder haben.

Kinderarmut und Gewalt gegen Frauen geht uns alle an. Bitte unterstützt unsere Petition, auch wenn Ihr selbst nicht betroffen seid. Unterschreibt und teilt sie in Eurem Bekanntenkreis und über Eure Social Media Kanäle. Trennungskinder haben jedwede Unterstützung verdient und sollen nicht noch länger auf ihr Geld warten müssen.


Bild: pixabay /  Unsplash

13 Kommentar

  1. Du sagst es, Rona. Und das ist ein Aspekt, der viel zu wenig beachtet wird. Aber so heftige Auswirkungen auf die betroffenen Frauen und ihre Kinder hat! Danke für diesen Text.

  2. Kenne diese Situation,man trennt sich,weil es einfach nicht mehr anders geht,weil die Kinder unter den Streitigkeiten leiden,weil es nicht mehr weitergeht….und dann hängt man im Desaster,der Partner fühlt sich nämlich nicht an Absprachen gebunden,das Geld reicht vorne und hinten nicht,man geht arbeiten und hat ein schlechte Gewissen,die Kids leiden unter der Trennung und unter der völlig verausgabten Mutter…….da muss was passieren !!

  3. Die Forderung an sich ist sehr begrüßenswert. Allerdings kann es für die Kinder nach hinten losgehen, wenn zeitgleich an einer gesetzlichen Regelung für die Etablierung des Wechselmodells als Regelfall gearbeitet wird. Dies führt dann dazu, dass der finanzielle Druck auf die Väter und damit die Bereitschaft, ein Wechselmodell aus finanziellen Erwägungen heraus gerichtlich durchzusetzen, größer wird. Damit ist den Kindern nicht geholfen, denn sie müssen dann unzählige Umgangsverfahren über sich ergehen lassen, haben im Haushalt der Mutter dieselben finanziellen Schwierigkeiten, wie ohne Unterhaltsvorschuss (da man ja im Wechselmodell keinen Unterhaltsvorschuss wird beantragen können), im Haushalt des Vaters jedoch keine Zuwendung, da der Vater u.U. wenig bis kein Interesse an den Kindern hat, wenn das Wechselmodell aus finanziellen Erwägungen heraus gewählt wurde (um den Schulden, die durch die Verlängerung des Unterhaltsvorschusses entstehen, zu entgehen). Darüber hinaus verlieren die Kinder ein festes Zuhause, was sie eigentlich mit anderen Ressourcen der Eltern kompensieren müssten. Alles in allem: Sollte der Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr verlängert werden und parallel dazu ein Wechselmodell als Regelfall eingeführt werden, ist die Folge: eine Verbesserung der Situation der Väter, eine Verschlechterung der Situation der Mütter (aufgrund des immer noch riesigen Lohnunterschiedes zwischen Müttern und Vätern und der nicht gleichwertigen Karrierechancen, wenn ein ehelicher Nachteil besteht), und eine riesige Verschlechterung der Situation der Kinder, wenn sie zum Wechseln gezwungen werden und das Wechselmodell aus finanziellen Erwägungen des Vaters heraus durchgesetzt wurde. Sollte das Wechselmodell als Regelfall kommen, wirkt die Verlängerung des Unterhaltsvorschusses wie ein Dolchstoß – sie verhindert dann nicht Armut, sondern treibt noch mehr Frauen in die Armut.

  4. Feministische Logik im Zeitalter der Gleichberechtigung:

    Eine Hausfrau steht unter wirtschaftlicher Gewalt ihres Partners, weil sie umsonst arbeitet.

    Ein Hausmann übt wirtschaftliche Gewalt gegen seine Partnerin aus weil er nichts verdient.

    LOGIK ?

    • Hallo Hans Alef,

      ich verstehe Ihren Punkt nicht. Das müssten Sie schon etwas genauer erläutern. Wenn Sie Hausmann sind, üben Sie nicht automatisch wirtschaftliche Gewalt aus, genausowenig wie eine Hausfrau per se wirtschaftliche Gewalt ausübt. Ich denke, im Text wird sehr deutlich, um welche Fälle es eigentlich geht.

  5. Hallo Frau Rona, das kam aber in einigen Zeilen des Textes so bei mir an. Z.B. „Wenn Dein Partner Dir die gesamte finanzielle Verantwortung für die gemeinsame Familie überlässt“

    • Der Text ist aus dem Zusammenhang heraus zu verstehen. Wenn so eine Regelung auf einer gemeinsamen Vereinbarung beruht, ist das etwas völlig anderes, als wenn der Partner/die Partnerin das einfach über den Kopf des anderen hinweg entscheidet. Dennoch würde ich heutzutage niemandem mehr den Status Hausmann/Hausfrau empfehlen.

  6. Sehr geehrte Frau Duwe,

    ist es nach ihrem Verständnis auch Gewalt,

    • wenn sie ihr eigenes und das Geld ihres Partners verschleudert?
    • wenn sie nicht bereit ist, sich am Lebensunterhalt der Familie zu beteiligen?
    • wenn sie ihrem Partner Geld stiehlt?
    • wenn sie ihrem Partner die gesamte finanzielle Verantwortung für die Familie überlässt?
    • wenn sie eine Verschuldung der Familie verursacht?
    • wenn sie den Partner in einer schwierigen Situation wie z.B. Krankheit im Stich lässt?
    • wenn sie die berufliche Weiterentwicklung ihres Partners behindert?
    • wenn sie bei ihrem Auszug die gesamte Wohnung ausräumt oder
    • die gesamte Wohnung verwüstet und demoliert?
    • wenn sie ihren Partner mit falschen Beschuldigungen wegweisen lässt?
    • wenn sie versucht mit falschen Behauptungen über das Einkommen des Partners ungerechtfertigten Unterhalt zu lukrieren?
    • wenn sie mit Falschbeschuldigungen vor Gericht versucht, den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern zu vereiteln?
    • wenn sie ihrem Partner durch Kontaktverhinderung oft jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen aufzwingt?
    • wenn sie ihrem Partner exorbitante Gutachterkosten verursacht, um ihre Falschaussagen und Behauptungen zu widerlegen?
    • wenn der Kontaktabbruch zu den gemeinsamen Kindern Auslöser für Krankheiten wie Depression oder Angststörung beim Vater ist?
    • wenn sie ihren Partner vor Gericht und im gemeinsamen Freundeskreis als Gewalttäter diffamiert und ihn damit sozial isoliert?
    • wenn sie vor den gemeinsamen Kindern schlecht über deren Vater spricht und PAS auslöst bis die Kinder angeben, den Vater nicht mehr sehen zu wollen?

    Ich könnte die Liste noch fortsetzen, lasse es aber gut sein. Ich will keinesfalls psychische oder finanzielle Gewalt an Frauen marginalisieren und schon gar nicht deren Existenz in Abrede stellen. Ich wehre mich nur gegen die Darstellung als wäre gerade psychische und finanzielle Gewalt etwas ausschließlich männliches.

    Ich würde wirklich gerne wissen, ob sie die oben genannten Punkte auch als Gewalttaten erkennen und wenn ja, was Ihre conclusio daraus ist.

    Ich kämpfe wie Sie für die Rechte von Trennungskindern, denke aber, dass es mit finanziellen Zuwendungen an so genannte alleinerziehende Mütter nicht getan ist.

    Viele der von Ihnen und von mir aufgelisteten Punkte resultieren aus der, meiner Ansicht nach völlig idiotischen Rechtsprechung, die besagt, dass ein Elternteil die Kinder bekommt und der andere Elternteil dafür zu zahlen hat. Das generiert »einen Kampf ums Kind«, schafft immer einen »Gewinner« und einen »Verlierer«, sorgt für immens viel Frustration, sät Zwietracht und Streit und am Ende sind immer die Kinder die, die am allermeisten darunter zu leiden haben.

    Leider stößt die Alternative – eine fairere Aufteilung von Erwebs- und Betreuungsarbeit nach einer Trennung und gleichberechtigte Elternschaft – noch immer auf sehr starken Widerstand in der Politik und leider auch noch immer bei vielen Frauenverbänden, was ich nicht verstehen kann.

    • Hallo Herr Morauf,
      wir haben ja an anderer Stelle schon intensiv über das Wechselmodell diskutiert und Sie kennen meine Einstellung dazu. Zu den anderen oben genannten Punkten: Ja, sicherlich gibt es auch wirtschaftliche und psychische Gewalt von Frauen an Männern.

  7. Eine Trennung können sich aktuell weder Frau noch Mann leisten. Selten verdient der Mann genug, um die von ihm erwarteten Beträge zu zahlen. Selten verdient die Frau genug, um die Kosten allein zu tragen. Bei einer Trennung ist staatliche Unterstützung keine Ausnahme, sondern Standard. Der Staat hat das Interesse, dass Paare zusammen leben. Genau deshalb wird die Ehe gefördert und bevorzugt. Eine steigende Zahl von Alleinerziehenden ist weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich sinnvoll. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, die Trennung von Ehen zu erschweren und die gesamten diesbezüglichen Fehlentwicklungen zu korrigieren. Wenn eine Trennung notwendig ist, weil es häusliche Gewalt gibt oder sonstige unüberbrückbare Hindernisse, dann muss eine Trennung möglich sein, doch diese sollte eine Ausnahme sein. Sie haben den Nagel getroffen, indem Sie schreiben: „Komm allein klar, wenn du dich trennst.“ Wer eine Entscheidung fällt, muss auch die Konsequenzen tragen und kann diese nicht an den Staat delegieren. Wenn wir die Statistik der Trennungsgründe ansehen, dann gibt es eine klare Tendenz: Frauen machen eher Schluss und Frauen haben weniger Angst vor dem Alleinsein, weil sie in ihrem sozialen Netzwerk mehr Zuwendung und Geborgenheit finden.

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