#victimblaming beenden …um #schweigenbrechen zu erleichtern

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Heute, am 25.11.2015, ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. Jede dritte Frau ist schon mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt geworden. Jede vierte Frau hat häusliche Gewalt erlebt oder erlebt sie noch. Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen hat zu diesem Anlass eine Selfieaktion mit dem Hashtag #schweigenbrechen ins Leben gerufen. Das Schweigen zu brechen ist wichtig, um aufmerksam darauf zu machen, wie verbreitet Gewalt an Frauen ist. Schweigenbrechen heißt aber nicht nur, dass die betroffenen Frauen ihr Leid in die Öffentlichkeit tragen. Es heißt auch, dass wir ein Klima schaffen müssen, dass Schweigenbrechen ermöglicht und erleichtert. Gewalt ist keine Privatsache. Jeder ist betroffen und jeder ist verantwortlich, weil jeder ein Gewaltopfer in seinem direkten Umfeld hat, ob er das weiß oder nicht.

Schweigenbrechen ist schwer für betroffene

Frauen, die Gewalt erleben oder erlebt haben, tun sich häufig schwer, darüber zu sprechen. Ein wichtiger Grund ist Scham und das Gefühl mitverantwortlich und schuldig zu sein für das, was sie erlebt haben. Dieses Gefühl wird ihnen nicht selten von Außenstehenden, Angehörigen und Freunden bestätigt. Wenn eine Frau zaghaft oder offen versucht Gehör zu finden für ihre Erlebnisse, kann sie Rückmeldungen erhalten, die sie direkt oder indirekt mitverantwortlich machen für das, was ihr geschehen ist. Bekannt ist in diesem Zusammenhang die Aussage, dass die Frau sich nicht wundern muss, dass sie vergewaltigt wurde, weil sie sich zu aufreizend angezogen hat. Es gibt aber auch viele andere Äußerungen, die vielleicht im ersten Moment gar nicht als Schuldzuweisung gedacht waren, die aber genauso beim Opfer ankommen.

Victim-Blaming erschwert das Schweigenbrechen

Für diese Aussagen gibt es den Begriff „Victim-Blaming“. Das Opfer wird verantwortlich gemacht für das Verhalten des Täters. Vielen ist nicht bewusst, dass sie damit den Täter in Schutz nehmen und selbst zum Täter werden, weil Frauen nach solchen Äußerungen verunsichert sind und vielleicht sogar zurückkehren zu ihrem gewalttätigen Mann. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich nicht wieder trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen und Hilfe zu suchen, weil sie sich noch mehr schämen und sich in ihrer Scham und ihrem Verantwortungsgefühl bestätigt fühlen.

Was ist Victim-Blaming?

Victim-Blaming hat viele Gesichter. Es ist teilweise erst auf den zweiten Blick als solches zu erkennen. Daher möchte ich hier mal ein paar Aussagen sammeln, die direkt oder indirekt dem Gewaltopfer die Verantwortung zuweisen. Gern können weitere Aussagen in den Kommentaren ergänzt werden. Auch bei Twitter und Facebook haben einige begonnen unter dem Hashtag #victimblaming Sätze zu sammeln, die in die falsche Richtung gehen. Schwerpunkt ist hier Partnerschaftsgewalt.

Direkte Schuldzuweisung & Verunsicherung

  • „Du warst ja schon immer etwas schwierig.“
  • „Kein Wunder, dass er ausflippt. Du stellst zu hohe Ansprüche / bist zu kritisch / zickig …“
  • „Wenn Du Dein Verhalten änderst, wird er das nicht mehr tun.“
  • „Ihm ist nur einmal die Hand ausgerutscht. Du solltest ihm verzeihen.“
  • „Er meint das nicht so. Er liebt Dich doch.“
  • „Wir haben auch Probleme. Das ist normal und gibt sich wieder.“
  • „Zu einer Beziehung gehören immer zwei.“
  • „Warum tut sie das ihren Kindern an?“

Indirekte Schuldzuweisung & Verunsicherung

  • „Sie ruht sich in ihrer Opferrolle aus. Typisch Frau. Sie könnte doch einfach gehen.“
  • „Es war doch klar, dass das passiert. Ich hätte mich nie auf einen solchen Mann eingelassen.“
  • „Er ist doch so ein netter Mann und ein toller Vater. Ich kann nicht glauben, was Du mir erzählst.“
  • „Wenn sie nicht geht, ist sie selbst Schuld.“
  • „So etwas lässt sich doch eine emanzipierte, gebildete, deutsche Frau nicht gefallen. Wir leben doch nicht in Afghanistan.“
  • „Wenn ich das merken würde, würde ich sofort gehen. Ich verstehe Dich nicht.“
  • „Über Beziehungsprobleme redet man nicht in der Öffentlichkeit. Klär das allein mit Deinem Mann.“
  • „Warum geht sie nicht? Sie muss ein psychisches Problem haben.“
  • „Jetzt übertreibst Du aber.“
  • „Ich habe mit ihm gesprochen. Er sagt, dass das alles nicht stimmt.“
  • „Es liegt an der Erziehung der Frauen, dass so was passiert.“
  • „Es gibt doch genug Hilfsangebote in Deutschland. Warum geht sie denn dann nicht einfach?“

Schuldzuweisung & Verunsicherung bei Trennung

  • „Warum hat sie sich auch einen solchen Partner ausgesucht? Mit so einem hätte ich nie Kinder bekommen. Das merkt man doch.“
  • „Du nimmst Deinen Kindern den Vater. Willst Du es Dir nicht lieber nochmal überlegen?“
  • „Du bist für Deine Situation selbst verantwortlich. Jetzt darfst Du Dich nicht beklagen.“
  • „Kannst Du ihm nicht verzeihen?“
  • „Du solltest Dich mal zusammenreißen. Ihr habt gemeinsame Kinder.“
  • „Alleinerziehend leben ist kein Zuckerschlecken. Lass es lieber. Euch geht es doch gut.“
  • „Du bist selbst Schuld, dass Du so lange bei ihm geblieben bist. Jetzt brauchst Du auch nicht jammern.“
  • „Du solltest Deine Schuldzuweisungen unterlassen und nicht über Deine Erfahrungen sprechen. Das schadet Euren gemeinsamen Kindern.“
  • „Was sollen denn die Leute denken?“
  • „Man wirft doch eine Beziehung nicht einfach so weg. Geht mal zu einer Paarberatung.“
  • „Versuch doch nochmal mit ihm zu reden.“

Was kann ich stattdessen sagen und tun?

Eine Frau, die Gewalt erlebt, ist in keinster Weise für die Gewalt verantwortlich. Verantwortlich und schuldig ist allein derjenige, der Gewalt ausübt – sei es verbal (Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen etc.) oder psychisch (Kontrolle, Verbote, Machtausübung etc.) oder körperlich (Schubsen, Festhalten, Einsperren, Schlagen, Vergewaltigen etc.). Eine Frau, die über die erlebte Gewalt zu sprechen beginnt, braucht sensible Zuhörer, Menschen, die ihr volle Rückendeckung geben und sie ernst nehmen. Sie muss bestärkt werden darin, über ihre Erlebnisse offen zu sprechen und sie muss sich darin aufgehoben und geschützt fühlen.

Eine Trennung aus einer solchen Beziehung ist aus verschiedenen Gründen unendlich schwer. Es hilft der Frau nicht, wenn ihr Vorwürfe gemacht werden, dass sie immer noch bei ihrem gewalttätigen Partner bleibt. Es hilft der Frau auch nicht, ihr ihre Opferrolle vorzuwerfen. In den meisten Fällen wollen die Frauen nicht wahrhaben, dass sie Gewaltopfer sind und empfinden es nicht angenehm, Opfer zu sein. Für die Einordnung ist es aber wichtig zu erkennen, dass man sich zum Opfer hat machen lassen, um den andern als Täter zu identifizieren.

Hilfreich ist es zu signalisieren, dass man ein offenes Ohr hat, immer für sie da ist, dass man ihr glaubt und dass man ihr mit allen Mitteln hilft, wenn sie sich endlich traut, sich zu trennen. Sie sollte bestärkt werden darin, dass Trennung der einzige Weg ist und dass es dazu keine Alternative gibt. Da viele Frauen ihrer Wahrnehmung nicht mehr trauen oder Erlebtes verdrehen und verdrängen oder verharmlosen, ist es außerdem wichtig, immer wieder an erzählte Gewalterlebnisse zu erinnern und die Dinge beim Namen zu nennen.

Folgende Aussagen sind hilfreich:

  • „Ich bin immer für Dich da, wenn Du mich brauchst.“
  • „Ich glaube Dir.“
  • „Was Du erlebst, ist Gewalt.“
  • „Du bist Opfer von Gewalt geworden. Er ist Täter.“
  • „Es ist nicht Deine Schuld. Du bist nicht verantwortlich.“
  • „Ich helfe Dir, professionelle Hilfe zu finden.“
  • „Ich gehe mit Dir zu einer Beratungsstelle / zur Polizei / zum Anwalt…“
  • „Was er getan hat / tut, ist eine Straftat.“
  • „Trennung ist der einzige Weg. Ich helfe Dir.“
  • „Du bist bei mir gut aufgehoben. Ich sage es niemandem weiter, wenn Du das nicht möchtest.“
  • „Ich gebe Dir die Zeit, die Du brauchst und lasse Dich nicht im Stich.“
  • „Es dürfen alle wissen. Denn Du bist nicht Schuld.“
  • „Für Deine Kinder ist es in jedem Fall besser, wenn Du Dich trennst.“

Auf der Erste Hilfe-Seite findest Du viele Links, die Dir als Opfer oder als Angehöriger helfen können.


Bild: Pixabay, iquraishi

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