Du darfst …gut für Dich sorgen

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Auszeit nehmen fällt mir schwer

Ich merke immer wieder, dass es mir schwer fällt, mir Zeit für mich selbst zu nehmen und mein Wohlergehen in den Mittelpunkt meines Lebens zu stellen. Häufig sorgen die Alltagsumstände und -abläufe sowieso schon dafür, dass wenig Raum für mich bleibt. In den Herbstferien hatte ich aber endlich mal wieder das große Glück, einen Kurzurlaub machen zu können – ohne Kinder. Es war eine kurzfristige Entscheidung. Davor hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mit den Kindern ein paar Tage wegzufahren. Ich hatte recherchiert, aber ohne sonderlich viel Energie. Und irgendwann war mir klar: ich will gar nicht mit den Kindern fahren. Ich hatte keine Energie für einen Urlaub, bei dem ich rund um die Uhr allein bin mit den Kindern – ganz abgesehen von den Kosten, die mit 3 Personen einfach viel höher ausfallen und in den Schulferien besonders hoch. Für mich wäre das keine Erholung gewesen, und Erholung war dringend nötig.

Zu Beginn der Herbstferien war meine Erschöpfung so groß, dass ich einen ganzen Tag fast nur noch im Bett liegen konnte und mich total schlecht fühlte. Meine Mutter bekam das mit und riet mir, dringend eine Auszeit zu nehmen. Ich buchte, aber ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen meinen Kindern gegenüber. Ich hätte ihnen auch einen Urlaub und ein paar Tage weg von zu Hause gegönnt. Jetzt weiß ich, dass ich es genau richtig gemacht habe. Es hat mir unendlich gut getan, mal wieder nur etwas für mich zu tun, nur unter Erwachsenen zu sein, nicht ständig über Kinder-Themen zu reden, mich nicht mehr rund um die Uhr um andere kümmern zu müssen. Am ersten Urlaubstag hatte ich schlimme Kopfschmerzen und konnte eigentlich nur liegen und schlafen. Dann kam ich so langsam wieder zu mir und hatte das Gefühl, dass ich wieder atmen konnte, dass ein großer Druck von mir abfiel, dass ich mich wieder spüren konnte.

Erst so wurde mir klar, unter welchem Druck und welcher Belastung ich scheinbar tagtäglich stehe und wie wenig ich bei mir bin.

Auszeit nehmen geht nicht

Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, sich Zeit für sich selbst regelmässig zu gönnen. Bestürzt las ich vor einigen Wochen in einer Facebook-Gruppe, in der sich alleinerziehende Frauen austauschen, dass die Teilnehmerinnen es fast als Affront sehen, wenn ihnen Entspannungsmethoden empfohlen werden. Einige dieser Frauen erleben sehr aufreibende gerichtliche Auseinandersetzungen mit ihren Ex-Männern, die teilweise auch gewalttätig waren und sind. Sie kämpfen um ihre Rechte und die Rechte ihrer Kinder – ein unglaublicher Kraftakt. Sie sagen, dass sie es sich nicht erlauben können, für sich zu sorgen und dass sie kämpfen müssen.

Ich bin froh, dass ich eine so schlimme Gerichtsauseinandersetzung noch nicht erleben musste. Ich kenne aber aus eigener Erfahrung, wie sehr ein Konflikt mit dem Expartner Kraft rauben kann, wie sehr allein das Verhalten oder verletzende Aussagen während der Kinderübergaben schwächen können und wie schlimm es dann obendrein ist, wenn man noch mit Jugendämtern über das Kindeswohl diskutieren muss.

Daher glaube ich, dass zumindest kurze Auszeiten auch und gerade für diese Frauen besonders wichtig sind. Es ist wichtig einen Weg zu finden, für sich selbst zu sorgen, gut zu sich zu sein, sich selbst zu beachten. Wenn es den ganzen Tag nur um die Kinder, den Haushalt und den Job geht, bin ich am Ende des Tages total leer und ausgebrannt. Ich kann nicht mehr gut für meine Kinder sorgen. Ich bin nur noch genervt. Wenn dann zum Beispiel noch kraftraubende Konflikte mit dem Expartner, Geldprobleme und Zukunftssorgen dazukommen, ist das Ausmaß der Erschöpfung so groß, dass kein klarer Gedanke mehr möglich ist, dass Schlafstörungen zunehmen und dass ich den ganzen Tag herumlaufe wie unter Strom.

Gute Mütter nehmen keine auszeit

Für mich selbst kommt noch obendrein hinzu, dass ich mit meinen inneren Bildern einer guten Mutter zu kämpfen habe. Wenn die Kinder schon solch schlimme Konfliktsituationen in einer Beziehung und dann noch eine Trennung erlebt haben, ist es doch meine Aufgabe Ihnen wieder Stabilität zu geben, mich besonders um sie zu kümmern, sie nicht allein zu lassen. Ohnehin bin ich als Mutter der Dreh- und Angelpunkt für meine Kinder. Und die Kinder haben mein Dreh- und Angelpunkt zu sein, mein wichtigster Lebensinhalt. Mama hat zu funktionieren, Mama muss ein Ruhepol sein, Mama soll sich aufopferungsvoll um ihren Nachwuchs kümmern, einfühlsam sein, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, Lebensfreude vermitteln. Mama soll jeden Tag voller Freude mit ihren Kindern spielen, basteln, Ausflüge machen, vorlesen. Mama soll fördern, die wichtigen Entwicklungsfenster der Kinder nicht verpassen, für gute Schulergebnisse sorgen, ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm gestalten, immer eine offene Tür haben für Freunde der Kinder, ein sauberes und ansprechendes Zuhause bieten und einen gut strukturierten Tagesablauf. Ohnehin kriegt Mama alles gewuppt. Vereinbarkeit ist für sie ein Kinderspiel. Selbstverständlich soll sie obendrein noch Geld verdienen und erfolgreich im Beruf sein und natürlich eine attraktive Frau. So sehen meine inneren Bilder aus.

Die Realität sieht aber oft anders aus. Da bin ich morgens schon genervt, weil die Kinder bocken und nicht aus dem Haus kommen. Ich bin gehetzt, weil ich einen Job zu Ende bringen muss und ein Kind krank ist. Der Haushalt ist unter aller Kanone. Auf fremden Kinderbesuch habe ich manchmal gar keine Lust, auf Kaffeetrinken mit Mamas, die nur über ihre perfekten Kinder reden, noch weniger und Basteln mag ich gar nicht. Viel lieber würde ich zum Beispiel allein ein Buch lesen, mich fortbilden, Menschen treffen, die mich inspirieren. Ich bin froh, wenn beide Kinder gesund sind und in Kita und Schule sind. Ich sehe es nicht als meinen wichtigsten Lebensinhalt, dass ich Mutter bin. Es gibt vieles, das mich mehr interessiert, als Kinderthemen. Und es gibt Momente, wo ich einfach nur müde und erschöpft bin und gar nichts mehr geregelt bekomme.

Ich glaube, dass viele Frauen unter dem Damoklesschwert des Mutterideals zu leiden haben. Was wir alles sollen und müssen und zu leisten haben, kommt uns von überallher tagtäglich entgegen. Als alleinerziehende Mutter, die das mit dem Familienideal nicht geregelt gekriegt hat, ist der Druck noch höher. Es gilt hier besonders zu beweisen, dass man dennoch eine gute und leistungsfähige Mutter ist und dass vor allem aus den Kindern auch was ordentliches wird.

Wohin keine auszeit führt

Mich hat dieser Leistungsdruck sehr geprägt und es ist mir erst in letzter Zeit besonders deutlich geworden, wie sehr er mich behindert. Er ist tief verankert und verinnerlicht, hat aber mit den eigenen Bedürfnissen wenig zu tun. In mir tut sich teilweise eine unerträgliche Spannung auf, schon allein dadurch, dass ich gegen meine Bedürfnisse kämpfe, um eine gute Mutter zu sein. Allein diese Spannung kann dafür sorgen, dass ich mich innerlich zerrissen fühle. Dadurch werde ich angespannt und genervt. Und am Ende bekommen das die Kinder ab. Der innere Kritiker flüstert immer wieder: „Siehst Du? Du bist keine gute Mutter. Sonst würden sich die Kinder anders verhalten und Du würdest das alles viel besser geregelt bekommen.“ Kein Wunder, dass daraus irgendwann eine Wut entsteht, die genau diese Einflüsterungen bestätigt.

Was ich darf und du auch

Für mich selbst und vielleicht auch für Dich, die Du das ebenso oder ähnlich kennst, habe ich daher eine Liste zusammengestellt, was wir alles dürfen – ganz besonders, wenn wir alleinerziehend sind.

  1. Ich darf Spaß haben.
  2. Ich darf mich selbst wichtiger finden als meine Kinder, meinen Chef und meinen (Ex-)Mann.
  3. Ich darf meine Bedürfnisse in den Vordergrund stellen.
  4. Ich darf mich ausruhen und faul sein.
  5. Ich darf mir Zeit nehmen.
  6. Ich darf Fehler machen.
  7. Ich darf meinen Raum einnehmen und einfordern.
  8. Ich darf wütend sein und schlechte Laune haben.
  9. Ich darf nicht mehr weiter wissen.
  10. Ich darf mich schön finden.
  11. Ich darf Nein sagen und auf dem Nein bestehen – auch und besonders bei Menschen, die ich liebe.
  12. Ich darf Frau sein.
  13. Ich darf um Hilfe bitten.
  14. Ich darf meine Zeit ohne Kinder genießen.
  15. Ich darf meine Kinder abgeben – nicht nur um zu arbeiten, sondern auch um Zeit für mich zu haben.
  16. Ich darf mir selbst meine Maßstäbe setzen für Ordnung im Haushalt, Familienregeln u.ä.
  17. Ich darf Prinzipien über Bord werfen, wenn es der allgemeinen und vor allem meiner Entspannung dient.
  18. Ich darf mich selbst loben.
  19. Ich darf mich mit meinen Kindern als vollwertige Familie sehen.
  20. Ich darf mich mit all meinen Facetten mögen und zeigen.

…und vieles mehr. Bestimmt habe ich noch vieles vergessen, oder?

ja, aber

Sicherlich fühlst Du Dich von dem ein oder anderen Punkt angepiekst. Sicherlich kommen auch zu den oben genannten Ausführungen mit der so wichtigen Zeiten für Dich selbst ganz viele Abers. „Ist ja schön und gut, dass ich mir Zeit für mich selbst nehmen soll und Spaß haben darf. ABER das geht bei mir nicht. Dafür habe ich keine Zeit. Mein Tag ist voll. Und außerdem macht mit mein Ex das Leben zur Hölle.“ Ja, ich weiß, dass Dein Tag voll ist. Ja, ich weiß, dass Du vielleicht niemanden hast, der Dir mit den Kindern unter die Arme greifen kann. Ja, ich weiß, dass nur wenige alleinerziehende Frauen das Geld, die Zeit und die Möglichkeit haben, sich eine Auszeit zu nehmen. Ja, ich weiß wie kraftraubend Auseinandersetzungen mit dem Expartner sein können.

Ich weiß aber auch, dass schon 5 bis 10 Minuten am Tag, die Du regelmässig nur etwas für Dich machst, sehr wirkungsvoll sein können. Allein die Zuwendung, die Du Dir selbst schenkst und die Disziplin, für DICH selbst zu sorgen, bringen eine Veränderung. Das muss gar nichts teures sein. Es reicht z.B. wenn Du Dich jeden Abend, wenn die Kinder im Bett sind, mit einer liebevoll zubereiteten Tasse Tee hinsetzt und Dir eine Kerze anzündest statt Dich direkt vor den Fernseher zu setzen. Oder wenn Du beginnst regelmässig Tagebuch zu schreiben. Oder wenn Du Dir regelmässig Zeit gibst, Dich mittags kurz hinzulegen und zu entspannen. Oder wenn Du Dir ein Video für Autogenes Training oder Tiefenentspannung abspielst und Dich dabei entspannst. Oder wenn Du jeden Tag einen kurzen Spaziergang machst. Oder ein bisschen Gymnastik, Yoga oder Sport. Wichtig ist, dass es – genauso wie andere Termine – ein wichtiger Termin in Deinem Kalender wird, der nur in absoluten Ausnahmefällen ausfällt.

Dir zu erlauben, gut zu Dir selbst zu sein, kann so ein wichtiger Schwerpunkt und Ankerpunkt in Deinem Leben werden. Und das wirkt sich auch auf Deine Umgebung und Deine Kinder aus.


Zum Thema Selbstfürsorge für Alleinerziehende und wie wichtig das ist, um einem Burnout vorzubeugen, schreibt und berät insbesondere Alexandra Widmer von Stark und Alleinerziehend auf Ihrer Website http://www.starkundalleinerziehend.de


Bild: Pixabay, elektrosmart

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