Dogma-to-go

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Wir leben in einer Zeit der vielen Dogmen. Weil alles so unsicher ist, sprießt ein Dogma-Trend nach dem anderen aus dem Boden, der uns Orientierung und Sicherheit verspricht. Wir springen auf auf einen Dogma-Zug, fahren eine zeitlang mit und merken dann, dass wir dem Dogma nicht gerecht werden können, weil wir immer noch Menschen sind. Wir merken, dass das Dogma ein Gefängnis wird für unser Herz und unseren Geist. Wir fühlen uns nicht mehr wohl. Wir fühlen uns gezwungen. Das, was ein Leitfaden sein sollte, wird eine Fessel.

Mehr und mehr werde ich durch meine Lebenserfahrungen eine Freundin der Mäßigkeit. Mäßigkeit heißt nicht Mittelmäßigkeit. Mäßigkeit heißt, eine Mitte in den Dingen zu finden, die lebbar ist, die freundlich ist zu mir selbst, die ich schaffe, ohne mich zu sehr anzustrengen und zu sehr zu kasteien. Mäßigkeit heißt für mich zum Beispiel, dass ich mir morgens einen grünen Smoothie mache und mittags dann ein Brot mit Käse esse und mir ein Stückchen Schokolade gönne. Dazu trinke ich gern einen Kaffee. Es heißt auch, dass ich, wenn meine Mutter mich zum Essen einläd, gern ein Stück Fleisch oder Fisch esse. Aber bei mir zu Hause reduziere ich meinen Fleischkonsum weitestgehend. Es heißt für mich, dass ich morgens eine halbe bis dreiviertel Stunde vor meinen Kindern aufstehe und Yoga und Meditation praktiziere. Aber ich praktiziere es mäßig. Eine Stunde oder zwei am Tag schaffe ich nicht. Aber schon 20 Minuten für mich, in denen ich etwas für meinen Geist und meinen Körper tue, sind Gold wert. Früher dachte ich, dass es nur etwas bringt, wenn ich mindestens eine Stunde oder zwei schaffe. Resultat war: ich habe gar nichts mehr gemacht. Nun mache ich es mit einem freundlichen Geist für mich selbst. Ich mache es so, dass es mir Spaß macht und realisierbar ist.

All das fehlt mir so sehr in der heutigen Zeit.

Überall wird davon geredet und geschrieben, dass man nur so und so zur Erleuchtung und Erkenntnis kommt, dass man mindestens zwei Stunden am Tag sitzen muss oder dass man mindestens eine halbe Stunde am Tag die und die Atemübung machen muss UND die und die Asanas UND die und die Meditation. Viele dieser Bücher sind vor vielen hundert Jahren für Männer geschrieben, die sich ohne Familie und Verpflichtungen ins Eremitendasein begeben haben. Dann gibt es jede Menge Bücher über Fitness und Ernährung, die für mich auch schon pseudoreligiös sind. Wenn Du nicht diesen und jenen Smoothie trinkst und nur noch ohne jegliche tierische Produkte und Kaffee lebst, bist Du dem Verderben geweiht. Wenn Du nicht Deine Cellulite mit möglichst akrobatischen Yoga-Übungen wegverrenkst, will Dich kein Mann mehr haben.