Möchtest Du wissen, wie andere Frauen sich aus einer Beziehung lösen konnten, in der sie Gewalt erlebt haben? Oder möchtest Du wissen, wie sich eine solche Partnerschaft entwickelt und warum eine selbstbewusste Frau zunächst sogar häufig bei ihrem gewalttätigen Partner bleibt? Wie geht es einer Frau, die solch schwierige Erfahrungen hinter sich hat? Wie sieht ihr Leben danach aus?
Sabine (44) arbeitet in einer Wirtschaftskanzlei und hat einen Sohn. Sie hat in ihrer letzten Partnerschaft psychische Gewalt erlebt. Die Formen psychischer Gewalt in einer Partnerschaft und ihre massiven Auswirkungen auf das Opfer sind im Gegensatz zu körperlicher Gewalt nach wie vor wenig bekannt.
Wie war das Verhältnis zu Deinem Partner am Anfang, als Ihr Euch kennengelernt habt?
Als ich meinen Ex kennenlernte gab er sich mehr Mühe als jeder andere Mann zuvor. Er umsorgte mich, war extrem aufmerksam, bemühte sich sehr um mich, schickte mir zahlreiche „Liebes-SMS“ am Tag, auch während er arbeitete. Heutzutage würde ich sagen, er „sülzte“ ununterbrochen. Ich bin eigentlich gar nicht so der romantische Typ – trotzdem war ich geblendet und beeindruckt. Er trug mich auf Händen, machte Dinge, die mir eigentlich zuviel sind und auf die ich sonst gar nicht stehe, zumindest in diesem Ausmaß. Wahrscheinlich war es der Moment meines Lebens in dem ich genau darauf „hereinfiel“, was an meiner vorherigen Beziehung lag. Ich war sehr frisch getrennt als ich ihn kennenlernte.
Wie hat sich die Beziehung im Laufe der Zeit entwickelt?
Die Beziehung zum Ex war im Nachhinein betrachtet zu keinem Zeitpunkt gleichberechtigt und partnerschaftlich. Ich passte mich extrem an. Er machte im Prinzip was er wollte. Anfänglich hob er mich in den Himmel doch schon nach einiger Zeit passierte es immer häufiger, dass er aus nichtigen Gründen sauer war auf mich und mich dann komplett ignoriert. Er reagiere nicht auf Anrufe. Er verschwand. Er ging weg ohne zu sagen wohin und wie lange und war dann nicht erreichbar für mich. In dieser Zeit dreht ich am Rad, hatte keine anderen Gedanken mehr, als mich versöhnen zu wollen und suchte sämtliche Schuld für alles bei mir – obwohl ich in der Regel überhaupt nicht wusste, was der Auslöser gewesen war. Ich glaube, dass es zu keinem Zeitpunkt nachvollziehbaren, echten Auslöser gegeben hat.
Das Schema blieb immer gleich. Nachdem er wieder so weit war (ich spielte hier keinerlei Rolle) ließ er sich dazu herab mich wieder anzulachen, einen Scherz zu machen und ich war wie ein kleines Kind, dem man ein Spielzeug weggenommen hatte, glücklich, dass er wieder liebevoll war. Über Gründe wurde niemals gesprochen. Es entstand ein on/off nach seinen Regeln. Ich fügte mich immer mehr um dieser Ignoranz zu entgehen. Ich versuchte, alles richtig zu machen um diese Eiseskälte nicht ertragen zu müssen. Nach der Trennung habe ich Liebesbriefe von mir gefunden in seinen Sachen, die ich mit großer Scham las. Ich hatte mich schon ganz am Anfang aufgegeben. Schrieb bettelnde Briefe in denen ich ihm mitteilte, ich würde versuchen in Zukunft nicht mehr so oder so zu sein und Dinge besser zu machen. Ich hätte mich übergeben können beim lesen und habe alles vernichtet, froh, dass er es nicht in Händen hielt.
Es kam auch regelmäßig vor, dass er mich daheim ignorierte. Er sprach kein Wort mit mir, war eiskalt, hatte diesen bestimmten Blick. An diesen Tagen telefonierte er mit Freunden und Familie, lachte und scherzte, war wie verwandelt und sowie er auflegte war er wieder eiskalt, denn da war ja nur ich.
Auch häufte es sich, dass er erwähnte, dass mein Job keine richtige Arbeit sei. Er arbeite körperlich hart und das sei richtige Arbeit. Ich hatte zu dieser Zeit extrem viel Stress im Büro und habe wirklich sehr viel gearbeitet und hatte auch einen sehr anspruchsvollen Chef. Dass ich mit meinem Job das doppelte von ihm verdiente blieb natürlich unerwähnt. Ebenso, dass ich alle Kosten zu tragen hatte bis auf einen lächerlich kleinen Zuschuss.
Zu welchem Zeitpunkt hast Du die Gewalt klar erkennen können?
Ich konnte die psychische Gewalt eigentlich bis zum Schluss nicht realisieren. Erst als ich mich nach der Trennung mit dem Thema befasste merkte ich, was geschehen war.
Wann war für Dich klar, dass nur noch eine Trennung möglich ist und wer oder was hat Dir bei der Entscheidung geholfen?
Nach der Geburt unseres Sohnes ging es steil bergab. Er war ein Wunschkind, aber ich hatte eine sehr schwere Geburt. Er bliebt die ganze Zeit dabei und ich war zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt, dass uns nichts mehr trennen könne.
Doch nach der Geburt ging es steil bergab. Im Nachhinein denke ich, dass das daran lag, dass er sich zurückgesetzt fühlte und er nicht mehr die Nummer 1 war. Er begann mir vorzuhalten, dass seine Mutter und seine Ex nie Probleme hatten mit Babies (er hatte schon einen Sohn mit einer Exfreundin). Seine Mutter habe mehr als 10 Kinder groß gezogen und alles sei gut gewesen. Er sagte mir noch im Wochenbett, dass ich nicht in der Lage sei das alles richtig zu machen. Ich hatte keinerlei Unterstützung von ihm sondern bekam noch ununterbrochen Vorhaltungen, was ich alles offensichtlich nicht konnte und falsch machte. Ich war völlig fertig, weinte oft und ging wirklich auf dem Zahnfleisch. Ich schlief so gut wie nicht mehr, da mein Sohn ebenfalls kaum schlief.
Als mein Sohn drei Monate alt war teilte mir der Ex mit, dass er sich trennen wird und ins Ausland geht. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und völlig fertig. Ich wollte niemals alleinerziehend sein, hatte mir immer eine Familie gewünscht, die für immer hält, so wie bei meinen Eltern. Er wusste das. Er teilte mir mit, wir hätten seit Monaten keinen Sex gehabt und ich solle meinen Eltern ruhig sagen, dass das der Trennungsgrund sei. Dies tat ich. Ich war verzweifelt aber resignierte. Er hielt mir vor, er habe mit Freunden über so eine Situation gesprochen und natürlich nicht gesagt, dass es um ihn geht und diese hätten gesagt, in dem Fall könne eine Frau nur einen anderen Mann haben, anders sei das nicht erklärbar. Dies war so absurd, dass ich aufgab. Ich hätte ihn gehen lassen in diesem Moment.
Ich habe vergessen wie es genau dazu kam, dass er blieb, kann mich nicht an Gespräche oder Einzelheiten erinnern, was vielleicht daran liegt, dass solche Vorfälle regelmäßig vorkamen. Wir haben 2 Jahre, nachdem wir uns kennengelernt hatten, geheiratet und 2 Jahre später wurde unser Sohn geboren. Schon vier Monate nach der Hochzeit kam es in seinem Heimatland zum Streit und er teilte mir mit, er würde sich in Deutschland scheiden lassen. Ich war völlig in Tränen aufgelöst.
Jedenfalls blieben wir noch zwei Jahre zusammen, zogen sogar gemeinsam in eine Wohnung, die jedoch letztlich ich ausgesucht hatte und die – Gott sei Dank – seine „Gnade“ fand. Bezahlt habe ich übrigens fast alles alleine. Auch nach sechs Jahren bekam ich zur Miete lediglich einen minimalen Zuschuss, da er ja so wenig verdiente. Ich bestritt sämtliche Kosten alleine, Miete und Strom, ich hatte das Auto das ich alleine bezahlte etc. Bei der Wohnungssuche plante ich so, dass ich die Wohnung notfalls alleine stemmen konnte, der Fehler war nur, ihn den Mietvertrag unterschreiben zu lassen. Dazu später mehr.
Ich dachte immer öfter an Trennung. Sprach es auch aus. Er nahm es nicht ernst. Er machte mir ein schlechtes Gewissen wegen dem Sohn, mit dem er sich noch nie länger als 5 Minuten beschäftigt hatte seit er auf der Welt war. Immer wenn ich von Trennung sprach redete er davon, dass der Sohn leiden würde. Meine Eltern sagten im Prinzip dasselbe. Mein Gewissen war schlecht und ich war hin und hergerissen zwischen „Soll das immer so weitergehen, kann ich so weiter leben?“ und „Soll mein Kind so aufwachsen, alleine, ohne Vater oder soll mein Kind so weiterleben wie momentan.“
Die Situation war inzwischen so, dass wir kein Wort mehr miteinander redeten. Jeder machte sein Ding, sprich er macht seine Sachen und ich – wie immer – machte alles für meinen Sohn, alles mit meinem Sohn. Ich brachte ihn vor der Arbeit in die Kita, holte ihn ab, befasste mich mit ihm, ging mit ihm schlafen und begleitete ihn in den Schlaf. Meistens blieb ich bei ihm da es mir inzwischen einfach nur noch unangenehm war in der Nähe des Ex zu sein. Trotzdem konnte ich die Trennung nicht 100%ig klar kommunizieren wegen meinem schlechten Gewissen.
Eines Tages rief ich bei der Erziehungsberatung an. Ich hatte großes Glück und sprach mit einer sehr, sehr netten Frau. Sie sagte mir klipp und klar, dass ich meinem Sohn schade, wenn er in dieser Situation aufwächst und dass er Defizite davontragen würde. Sie sagte mir dies als erste Person ganz deutlich. Ich hatte ähnliches in abgeschwächter Form schon einmal in einem Langzeitstillforum gelesen, in dem ich meine Probleme geschildert hatte aber das waren Meinungen von Privatpersonen. Was sie mir sagte war eine fachliche Aussage einer Frau, die tagtäglich mit solchen Dingen zu tun hat. Ich war entsetzt und das gab den Ausschlag. Ich musste mich trennen.
Ab diesem Zeitpunkt kommunizierte ich ganz klar, dass ich möchte, dass er auszieht und wir uns trennen.
Aber er ging nicht. Er ignorierte es. Er sagte einfach, dass er nicht gehen wollte. Er dachte nicht im Traum daran, dass es mir ernst ist. Und das war dann richtiger Psychoterror. Ich fühlte mich machtlos und ausgeliefert. Ich konnte nichts tun. Die Situation spitzte sich zu. Unser Sohn bekam alles mit. Ex kam mit riesigen Blumensträußen an obwohl ich ihm in aller Deutlichkeit sagte, dass ich möchte, dass er auszieht. Er ignorierte es. Wochenlang. Immer wieder. Zu dieser Zeit wurde ich aggressiv. Ich rastete komplett aus. Ich hätte ihn am liebsten geschlagen. Ich sagte er soll gehen und er kniete nieder und weinte. Ich bat ihn zu gehen. Ich schrie ihn an. Ich versuchte alles. Ich drohte damit, das Schloss auswechseln. Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte. Er ging nicht. Ich war noch nie so verzweifelt.
Wie hast Du die Trennung vollzogen?
Ich ging zu einer Anwältin für Familienrecht und holte mir Rat. Sie schrieb einen Brief, dass er die Wohnung räumen müsse. Meine Erinnerung hat auch seine Reaktion auf den Brief nicht gespeichert. Die Trennung vollzog sich wie in einem Albtraum. Es hätte in dem Moment nicht schlimmer kommen können.
Ich versuchte immer wieder mit dem Ex zu reden. Ich bat ihn auszuziehen. Die Sache wie Erwachsene zu beenden. Er lehnte ab. Dann stimmte er zu. Er sagte, ok, wir machen es so. Mir stockte der Atem. Einfach so? Er hatte einfach so zugestimmt? Dann ging er in die Küche. Er nahm das größte Messer, das er finden konnte. Kam heraus. Sagte, er würde sich jetzt das Leben nehmen und ging ins Bad und schloss sich ein.
Ich bekam Panik, ich hatte Kopfkino. Interessanterweise drehte sich alles um den Sohn. Dass er den Vater sehen könnte, wie er sich umbringt. Ich rief meine Nachbarin, eine Polizistin, an. Sie kam sofort herunter. Ich zitterte am ganzen Körper, konnte kaum sprechen, brach fast zusammen. In der Zwischenzeit war er herausgekommen. Legte das Messer in die Schublade als wäre nichts gewesen und lag auf dem Fußboden. Einfach so. Als wäre er völlig erschöpft. Er.
Die Nachbarin führte mich mit dem Sohn ins Kinderzimmer. Ihre Lebensgefährtin blieb beim Ex. Die Polizistin fragte mich, was ich möchte. Ich sagte, er muss gehen. Sofort.
Die beiden haben mich gerettet. Sie haben nicht die Polizei geholt (was vielleicht besser gewesen wäre). Sie teilten ihm mit, er müsse die Wohnung verlassen. Sie ließen ihn ein paar Sachen packen. Er gab den Schlüssel ab. Und er ging.
Ich saß heulend und zitternd mit meinem Sohn im Kinderzimmer. Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich hatte Panikattacken. Ich schlief eine Woche so gut wie gar nicht, ich schreckte bei jedem Geräusch auf. Meine Angst spielte mir Streiche. Ich dachte er kommt, er holt den Sohn, er klettert auf den Balkon. Dachte er bricht ein. Ich hatte Panik. Ich war nicht mehr ich selbst. Ich musste mich zwei Wochen krankschreiben lassen weil ich Angstzustände hatte.
Wie ging es Dir in der Zeit nach der Trennung?
Er rief an und beschimpfte mich. Er drohte. Unterschwellig. Niemals so konkret, dass ich die Worte hätte verwenden können. Er drohte subtil. Ich hatte Panik. Dass er den Sohn holt, diesen in sein Heimatland mitnimmt. Dass er ihn mir entzieht. Dass er ihn entführt. Ich hatte völlig irrationale Ängste. Sinnlos. Ich kam nicht zur Ruhe.
Abends war ich geschockt darüber, dass alles zerstört war. Fragte mich, ob ich schuld bin. Fragte mich, wie das aus unserer großen Liebe werden konnte. Ich war ja jahrelang herabgesetzt worden von ihm. Er hatte mich erfolgreich von alten Freunden isoliert. Ich war allein. Mit meiner Familie wegen ihm zerstritten. Mit meinen Eltern zwar in Kontakt aber nicht in sehr gutem.
Ich musste es loswerden, meldete mich in einem Liebeskummerforum an. Dort las jemand meine Geschichte. Und gab mir den entscheidenden Tipp: Schau Dir mal die Seite www.re-empowerment.de an. Vielleicht hast Du psychische Gewalt erlebt.
Psychische Gewalt? Ich? Wie absurd erschien mir dieser Gedanke. Es war einfach schief gegangen. Vielleicht hätte ich es kommen sehen müssen, vielleicht wäre es zu verhindern gewesen aber was hat das mit Gewalt zu tun. So ein Unsinn. Ich las die Seite trotzdem. Und mir wurden die Augen geöffnet. Ich erkannte Parallelen. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Was dort stand. Die Isolation. Die Drohungen. Das subtile, unterschwellige unter Druck setzen, die Spielchen von ihm. Diese überzogenen Liebesbezeugungen um mich dann mit einem Ruck wegzustoßen und auszuhungern. Dr. Jeykill und Mr. Hide. Das war er! Das war ich! Diese Frau, die sich völlig abhängig gemacht hatte, die nicht mehr wusste, wer sie selbst war. Diese ohnmächtigen Gefühle, die beschrieben wurden. Ich erkannte mich. Ich erkannte ihn. Ich erkannte, dass alles noch viel schlimmer war, als ich dachte.
Ich las und las. Ich meldete mich im Forum an und schrieb meine Geschichte. Ich bekam Tipps. Parallel machte ich etwas, das ich viel früher hätte machen sollen: Ich wühlte in seinen Sachen herum. Er hatte so „geheime“ Sachen. Eine Tasche. An die ich nie durfte. Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen. Dort fand ich Sachen die zeigten, dass er mich von Anfang an belogen hatte. Dass er mich vermutlich auch betrogen hatte. Es öffnete mir die Augen. Da ich glücklicherweise immer nach vorne schaue und eher so der „Anpackertyp“ bin beantragte ich eine Mutter-Kind-Kur und bemühte mich um eine Therapie. Ich lerne meine Grenzen zu finden, diese zu verteidigen (auch gegen andere Personen, wie bspw. Gegenüber meinen Eltern, denn Grenzen zu erkennen war ein offensichtliches Problem von mir). Ich lernte, dass ich gut bin. Dass ich keine Schuld habe. Es ging mir besser und besser.
Hast Du Dich nach Deinem Expartner gesehnt und vielleicht sogar einen Neuanfang erwogen oder bist sogar zurückgekehrt? Oder hast Du viel mit Gefühlen wie Wut, Verzweiflung, Eifersucht etc. kämpfen müssen? Wie bist Du mit diesen Gefühlen und Situationen umgegangen? Wie konntest Du Dich wieder lösen?
Zu keinem Zeitpunkt habe ich daran gedacht zurück zu kehren. Das erste Jahr war sehr, sehr schwer. Es fand monatelang kein Kontakt statt. Die ersten Wochen war ich nicht in der Lage seine Stimme zu hören, seinen Namen zu lesen. Er war im Forum nur XXX, im Handy ebenfalls. Ich stand in engem Kontakt mit der Erziehungsberatung, bekam dort sehr hilfreiche und gute Tipps für den Alltag. Sie sagte mir auch klar, dass ich erst dann an Umgang zwischen Vater und Sohn in meinem Beisein denken soll, wenn ich mich dazu in der Lage fühle und stark genug bin. Somit habe ich die ersten Wochen klar gesagt, dass ich noch nicht kann und Zeit brauche. Das Thema Umgang ist dann wieder ein anderes und würde zu weit führen, es findet seit einem Jahr kein Kontakt statt zwischen Vater und Sohn was jedoch an ihm liegt. Ich habe Möglichkeiten gegeben die nicht genutzt wurden, der Vater hatte 8 Monate komplett verstreichen lassen und dann war er dem Sohn schlicht völlig fremd. Somit ist es jetzt so, dass der Vater nur whats app Kontakt hält. Der Sohn freut sich, dass er einen Vater hat aber er möchte ihn nicht sehen.
Wie fühlst Du Dich heute?
(Bist Du zufrieden mit Deinem jetzigen Leben? Was hat sich in Dir verändert und welche Lehren hast Du aus Deinen Erfahrungen gezogen?)
Mir geht es gut. Richtig gut. Ich habe mehr Selbstbewusstsein. Ich mache mein Ding, mir ist egal, was andere sagen.
Ich merke aber, dass ich häufig noch aggressiv bin und dazu neige, sehr ungeduldig zu sein. Ich fühle mich oft sehr erschöpft, habe keinerlei Freizeit für mich alleine und keine Möglichkeit Kraft zu tanken. Ich bin nicht sicher, ob die Erschöpfung auch mit dem Erlebten zusammen hängt aber ich bin unabhängig, ich richte mir das Leben mit meinem Sohn so ein, wie es für uns gut ist. Ich arbeite so viel wie nötig und so wenig wie ich mir leisten kann. Leider bedeutet das eine Abwesenheit von fast 40 Stunden pro Woche aber wir haben unsere sehr schöne Wohnung behalten und ich kann meinem Sohn Wünsche erfüllen. Ich kann nicht alles machen was ich möchte, kann mir keinen Urlaub leisten aber wir leben gut. Ich habe sehr wenige soziale Kontakte, meine beste Freundin wohnt 500 km entfernt und wir telefonieren nur sehr unregelmäßig, da es vom Rhythmus einfach nicht zusammenpasst aber ich arrangiere mich und stelle fest, dass ich kaum Vertrauen fassen kann zu Menschen. Ein Mann liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft. Ich könnte mich einem fremden Menschen nicht öffnen und niemandem mehr vertrauen, schon gar nicht mit meinem Sohn, für den ich ja nun mit verantwortlich bin.
Die Trennung war die beste Entscheidung meines Lebens und ich hätte mich trennen sollen als der Ex es das erste Mal angesprochen hatte. Dann wäre vieles leichter gewesen, zumal die damalige Wohnung auf mich alleine gelaufen ist. Ich hätte mir zwei Jahre Leid sparen können.
Grundsätzlich habe ich verziehen und abgeschlossen. Der letzte entscheidende Punkt war der Scheidungstermin. Scheidung eingereicht hatte ich unverzüglich nach Ablauf des Trennungsjahres. Am Scheidungstermin habe ich ihn dann freundlich begrüßt. Wir haben sogar draußen noch ein bisschen geredet. Er hatte seine neue Freundin dabei und umarmte sie theatralisch, als wäre sie die tollste Frau der Welt. Er macht die Show vor mir. So wie früher mit mir vor anderen. Mir war bewusst, dass er sie anlügt, so wie damals mich. Und ich hatte nicht mal Mitleid. Als ich danach im Auto saß, musste ich weinen. Aber ich fühlte mich befreit. Endgültig befreit. Ich weinte vor Glück und Erleichterung. ICH WAR FREI.
Ich bin heute zu einem neutralen Kontakt in der Lage. Er ist mir egal. Er ist der Vater meines Sohnes. Mehr nicht. Ich wünsche ihm nichts schlechtes (mehr). Ich wünsche ihm sogar, dass er glücklich wird. Wobei es mir eigentlich auch egal ist ehrlich gesagt. Er hat sein Leben, das hatte er immer. Ich habe mein Leben, das hatte ich lange nicht.
Sollte ich jemals einen neuen Mann kennenlernen – was völlig außerhalb meiner Vorstellungskraft liegt – könnte ich mir nicht vorstellen, wieder mit jemandem zusammen zu leben. Im Gegenteil. Ich möchte mich nicht mehr so eng binden. Möchte mein Leben nie mehr aufgeben für eine andere Person. Wenn überhaupt könnte ich mir eine Fernbeziehung vorstellen. Wenig Nähe. Aber ich vermisse keinen Partner. Manchmal merke ich, wie wenige soziale Kontakte ich habe und hätte abends gerne jemanden zum reden. Aber das könnte auch eine gute Freundin sein. Ich brauche keinen Mann.
Ich bin froh, dass ich mir immer meine finanzielle Unabhängigkeit bewahrt habe. Auch wenn ich finanziell manchmal schlecht dastehe, ich noch Jahre die Raten für die Scheidung abbezahle, ich Rentenansprüche verloren habe an ihn und meine monatlichen Kosten höher sind als viele Frauen im Monat verdienen. Ich möchte nicht tauschen und mein Leben nicht hergeben. Inzwischen sehe ich Teile der Beziehung sogar als Bereicherung. Vor zwei Jahren hätte ich nie geglaubt soweit zu kommen.
Was sind Deine wichtigsten Tipps für Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind?
Was brauchen Frauen aus Deiner Sicht, um sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien und was hilft ihnen dabei?
Es ist schwer Tipps zu geben. Mir hat der Hinweis auf die Seite www.re-empowerment.de sehr geholfen. Weil mir die Seite die Augen geöffnet hat. Den Tipps, die auf der Seite der Phoenix-Frauen stehen habe ich nichts hinzuzufügen. Aus meiner eigenen Perspektive finde ich am wichtigsten sich bewusst zu machen, dass man seinen Kindern schadet. Und zwar tatsächlich und nachhaltig. Dass Kinder alles mitbekommen was in so einer Beziehung abläuft. Und wenn man noch so sehr versucht es zu verheimlichen. Denn ich hätte viel eher reagiert, wenn mir nicht jeder so ein schlechtes Gewissen gemacht hätte und mir nicht ausnahmslos jeder gesagt hätte, wie schlecht es für mein Kind ist, wenn die Familie zerbricht. Aus diesem einzigen Grunde habe ich das Leid so sehr verlängert. Unnötig verlängert.
Vielen Dank, Sabine!!!
Jede vierte Frau erlebt häusliche Gewalt.
Partnerschaftsgewalt ist keine Privatsache.
Gewalt geht jeden etwas an.
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