Allein erziehend Eine Erwiderung

InAlleinerziehend, Familienbild, Krankheit, Partnerschaft, Trennung
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Alexandra Widmer von Stark und Alleinerziehend hat geschrieben, dass das Wort „Alleinerziehend“ ihr nicht gefällt und dass es autosuggestiv negativ wirkt. Ich sehe das etwas anders.

Ja, ich stimme zu: Alleinerziehend ist kein schönes Wort. Alleinerziehend ist zunächst aber auch nicht unbedingt ein schöner Zustand. Viele Menschen mit Kindern, die sich in dieser Situation wiederfinden, weil sie verlassen werden oder weil sie sich selbst zu einer Trennung entschlossen haben, fühlen sich erst einmal überlastet und allein gelassen.

Für mich ist es definitiv so: selbst wenn der andere Elternteil, Erzieherinnen, Lehrer, Omas, Opas oder Freunde unterstützen (wie Vivian Zuta von Kirschkerneknacker schreibt), liegt die Hauptverantwortung bei der Person, die die Kinder hauptsächlich betreut. Besonders die Übergangszeiten am Morgen und Abend oder die häufig nächtlich auftretenden Krankheiten der Kinder oder die Trotzphasen sind schwer allein zu bewältigen. Auch die vielen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, und die Verantwortung und Zuständigkeit liegen in diesem Fall häufig hauptsächlich bei einer Person, und das gilt selbst dann, wenn das Sorgerecht geteilt wird. Dasselbe gilt für die gesamte Organisation des Alltags, der evtl. zu stemmenden Berufstätigkeit und für den Großteil der zu tragenden Kosten. Auch Unzuverlässigkeiten des anderen Elternteils oder Unterhaltszahlungsverweigerung oder schwierige Verhaltensweisen gegenüber den gemeinsamen Kinder „badet“ der alleinerziehende Elternteil häufig aus. Und was noch hinzukommt: egal in welche Worte ich meinen Beziehungsstatus kleide, wird es nicht wenige Menschen geben, die Schwierigkeiten haben, mich und meine Kinder so als vollwertige Familie zu sehen.

Ich empfinde es als richtig, diese Situation nicht schönzureden und sie genauso zu benennen, wie sie ist: Ich bin alleinerziehend. Das heisst für mich nicht, dass ich jammere. Es heisst für mich, der Realität ins Gesicht zu sehen.

Ja, ich kenne auch die Fälle, wo das Wort „Alleinerziehend“ wie ein Rechtfertigungsbanner vor sich hergetragen wird, dass man dies und jenes nicht schafft und dass man ja so leidet und dass man daher bitte auf Dauer bemitleidet und bedauert werden möchte. Es gibt auch Fälle, wo „Alleinerziehend“ wie ein Orden um den Hals getragen wird: „Seht her, wieviel mehr ich leiste als ihr. Ich habe es verdient, dass Ihr mich bewundert. Ihr mit Euren langweiligen Standardfamilien könnt mir nicht das Wasser reichen“. Beides sind für mich Extrempositionen.

Ich glaube jedoch, dass es noch eine dritte Möglichkeit gibt: „Ja, ich bin jetzt alleinerziehend. Es ist nicht einfach und es tut weh. Mal schauen, was ich mit dieser neuen Lebenssituation machen kann und wie ich das bewältige. Welche Möglichkeiten habe ich?“

Jegliche Krisensituation im Leben fordert dazu auf, die wahre innere Stärke zu entdecken und zu kultivieren. Gleichzeitig zeigt sie, wo Schwächen sind, wo ich Hilfe brauche, wo ich nicht die Fassade der „Ich-kann-das-alles-allein-Frau“ wahren kann. Sich hier Hilfe zu holen zeugt widerum von Selbsterkenntnis und Stärke. Es gibt auch Menschen, die behaupten, dass man nicht sagen darf, dass man chronisch krank ist und dass man damit seine Krankheit verschlimmert. Ich bin nicht nur alleinerziehend, ich bin auch chronisch krank. Mit beiden „Zuständen“ lebe ich so, wie ich es schaffe. Ich laufe nicht mehr davor weg, indem ich es anders benenne. Ich sehe dem in die Augen und entscheide dann, was geht und was nicht, wo ich mir helfen lasse und wo nicht, wo ich Schmerzen noch ertragen will und wo ich mir eine OP „gönne“, wo ich mich bemitleiden will und wo ich mein Leben und Leiden in die Hand nehme.

Ich entscheide also selbst, wie ich das Wort „alleinerziehend“ für mich mit Leben fülle, wie ich es für mich bewerte und wie ich es auch meinen Kindern verkaufe.

Im übrigen ist „ALLEIN“ für mich nicht negativ besetzt. Es ist für mich auch eine Realität, dass ich am Ende immer allein bin, dass ich mir am Ende selbst der beste Freund sein sollte, dass es schön ist, mit mir allein zu sein. Ich glaube, dass ich umso besser auf andere Menschen zugehen kann, je mehr ich mit mir selbst gut zurechtkomme und gut für mich sorge. Wenn ich allein gut zurechtkomme, brauche ich nicht unbedingt andere, um meine Bedürfnisse zu erfüllen. Ich kann offen und frei und ohne überhöhte Erwartungen auf einen anderen Menschen zugehen. Ich kann auch einen Menschen verlassen, der mir nicht gut tut, weil das Alleinsein mich weniger schreckt, als ein Leben in einer quälerischen Beziehung zu verbringen.


Bild: pixabay, Unsplash

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