Die letzten Tage und Wochen ist es ruhiger geworden um diese Seite. Woran liegt das, fragst Du Dich vielleicht. Ich frage mich das genauso. Irgendwie bin ich still geworden. Ich habe gerade viel zu tun in meinem anderen Beruf und ich beobachte die Nachrichten und die Veränderungen in Deutschland, Europa und der Welt mit großer Sorge. Viele Ereignisse machen mich einfach nur sprachlos und ich frage mich, wie wir im Angesicht der aktuellen großen, schweren Themen weiterleben können, einfach so. Meine Twitter-Timeline spiegelt diesen Widerspruch. Es ist die Rede von ertrunkenen Menschen vor griechischen Küsten, von einer Frau, die nur über Mord ihrem gewalttätigen Mann entkam, von Krieg gegen Kurden und geschlossenen Grenzen und gleichzeitig wird über Rezepte, Stillprobleme und Online-Business geplaudert. Ich komme mit diesem Widerspruch nicht gut zurecht. Ich fühle mich gelähmt.
Diese Seite habe ich begonnen mit dem Ziel, Beziehungsgewalt aus dem Rand der Gesellschaft in ihre Mitte zu tragen – dorthin, wo sie tatsächlich geschieht und dorthin, wo die meisten dennoch glauben, dass sie sicher sind und dass sie nie betroffen sein werden. Die Wahrheit ist, dass aufgrund der erdrückenden Statistiken zu häuslicher und sexualisierter Gewalt eigentlich jeder betroffen ist – direkt oder indirekt. Jeder hat zumindest einen Menschen in seinem direkten Umfeld, der betroffen ist – aktuell, in Vergangenheit oder in Zukunft. Wenige Menschen wollen aber über diese Themen reden. Sie sind unangenehm, sperrig, beschämend, beängstigend. Da niemand darüber reden will, besteht nach wie vor ein großes Informationsdefizit über folgende Fragen:
- Wie stellt sich Beziehungsgewalt / häusliche Gewalt dar? Ist DAS „schon“ Gewalt?
- Welche falschen inneren Bilder und gesellschaftliche Dogmen führen in eine solche Beziehung hinein und halten in ihr?
- Wie kann ich mich als Betroffene innerlich aus der Beziehungsdynamik lösen?
- Wie kann ich als Angehöriger / Freund / Bekannter einem von Gewalt betroffenen Menschen helfen?
- Gibt es ein Leben nach einer solchen Beziehung? Wie sieht das aus? Wie schaffen das andere?
- Was sagt uns dieses ganze Thema über unsere Einstellung zu Frauen/Müttern und Männern/Vätern und Gewalt? Warum darf darüber nicht wirklich geredet werden? Warum wird das Thema versteckt oder über Beschimpfungen, Verunglimpfungen und Verharmlosungen, Rassismus und Feminist-Bashing gewaltsam unter den Teppich gekehrt? Welche Gefahr stellt es offensichtlich dar, hier einen Finger in die Wunde zu legen? Warum fühlen sich so viele Menschen angegriffen?
- (Und warum finden wir es eigentlich romantisch, unsere Beziehung über ein Schloss zu symbolisieren, dessen Schlüssel für immer verschwindet? Ist es gut, sich in einer Beziehung einzuschließen?)
Ich habe für mich selbst festgestellt, dass insbesondere die inneren Bilder und Dogmen maßgeblich sind für den Beginn und Erhalt einer solchen Beziehung. Auch der sehr häufige Rückfall hängt meiner Ansicht nach mit den starken inneren und äußeren Bildern zusammen, die wir mit Ehe, Elternschaft bzw. Mutterschaft und Leben als Frau und auch Leben als Mann verbinden. Aus dem zentralen Thema „Gewaltbeziehungen“ verästeln sich viele andere Themen. Es ist als wäre Gewalt in dieser kleinsten Einheit unserer Gesellschaft ein Seismograph für den Zustand der Gesamtgesellschaft, für ihre Fähigkeit zu differenziertem Denken, ihre mutige Selbstreflektion, ihre Fortschrittlichkeit, ihre Empathie. Wie stellen wir uns zu Gewalt in dieser kleinsten Einheit? Wie ehrlich reflektieren wir selbst unseren Flirt mit Wut, Macht und Gewalt? Wie sehr schauen wir unseren Ängsten ins Gesicht? Sind wir bereit, uns auch als Opfer zu erkennen und anzuerkennen? Haben wir den Mut, in unseren tiefsten, dunkelsten Keller zu gehen und uns uns selbst zu stellen?
Ich habe mich die letzten Wochen ganz ernsthaft gefragt, ob ich mit Phoenix-Frauen weitermachen möchte. Das Kreisen um Gewalt ist hart und unangenehm. Auch das Sprechen mit betroffenen Menschen ist schmerzhaft. Viele Menschen brauchen sehr, sehr lange, um sich vor allem innerlich aus der Gewaltspirale zu lösen. Das liegt sicherlich auch daran, dass man mit vielen Anteilen seines alten Selbst brechen und sich großen Ängsten und Ungewissheiten stellen muss. Viele, ganz entscheidende Sätze müssen immer und immer wieder wiederholt und verinnerlicht werden.
- „Du bist nicht Schuld“
- „Du musst den anderen nicht verstehen“
- „Du bist nicht für den anderen verantwortlich“
- „Du musst gar nichts vergeben“
- „Du bist stark, weil Du das aushalten konntest“
- „Du darfst schwach sein“
- „Du stellst Dich nicht an, wenn Du über Deinen Schmerz offen sprichst“
- „Du bist nicht für die Art und Häufigkeit des Vater-Kind-Kontakts verantwortlich“
- „Du darfst die Hoffnung aufgeben, dass Du irgendwann mit dem anderen eine glückliche Familie haben wirst oder dass Du ihn und Eure Beziehung ändern/retten kannst“
- „Du bist gut wie Du bist“
- „Du darfst ein schönes und glückliches Leben haben“
sind entscheidende Sätze. Zu vielen dieser Sätze habe ich schon Beiträge geschrieben, aber es gibt bestimmt noch mehr.
Ich glaube, dass ich auf dem Weg bin, die Phoenix-Frauen mehr und mehr zu konzentrieren und zu fokussieren. Dazu brauche ich auch Deinen Rat und Deine Unterstützung, denn Du bist mein Gegenüber. Wenn ich die Statistiken ansehe, lesen die meisten hier am liebsten die gesellschaftskritischen Artikel zu #regrettingmotherhood und #muetterthron. Aber ich möchte von Dir wissen, was Du Dir wünscht und was Dich interessiert.
- Worüber möchtest Du mehr lesen?
- Was bedrückt Dich?
- Was hilft Dir?
- Was wünscht Du Dir?
- Macht es Sinn, diese Seite weiterzuführen?
- Was würdest Du verbessern / verändern?
Ich bin gespannt und danke Dir für Deine Gedanken und Deine Unterstützung – gern auch per Mail.
Bild: Pixabay, manseok
Liebe Phoenix Frau…
Ich finde deine Seite wirklich gut. Gewalt muss unter ihrem Deckmäntelchen raus! Die Täter werden geschützt und die Opfer als Lügner hingestellt, weil häusliche Gewalt nicht offensichtlich ist und die Opfer aus Scham schweigen. Ich würde gerne mehr Erfahrungsberichte lesen, aber nicht in Englisch bitte.
Ich war 12 Jahre mit einem gefährlichen Narzissten verheiratet und hab es geschafft mich zu trennen. Aber: Trenne dich NIE von einem Narzissten 😉 Nach der Trennung ging es erst richtig los! Er hat mich ausgehungert und mir mein Kind geklaut (Kaum Kontakt). Hat mich überall als schlechte Mutter hingestellt und mich schlecht gemacht. Ich könnte endlos weiter schreiben.
Am schlimmsten für mich ist diese Ohnmacht, dass NIEMAND mir wirklich helfen kann. Die deutschen Gerichte machen mich seit 4! Jahren zum Sozialfall, weil er die Gerichte benutzt um mich weiter fertig zu machen. Der weiße Ring kann nichts machen, Frauenhaus kann nix machen, meine Anwältin kann nix machen und er lebt weiterhin wie die Made im Speck in unserem schönen Haus mit meiner Tochter, die natürlich lieber im Schlaraffenland wohnt, als bei mir am Ende des Monats Nudeln mit Ei zu essen… 🙁 Niemand steht für mich ein und ich kämpfe meinen einsamen kampf gegen ihn und die Gerichte seit sooo langer Zeit 🙁 Ich bin innerlich abgestorben, kann mein Trauma nicht verarbeiten (weil es noch nicht zu Ende ist) triggere immer noch bei schwarzen Jeeps, oder Männer in Arbeitshosen…! Da wird ein Täter in ausübung seiner Taten noch jahrelang unterstützt!
Wer tritt für diese Frauen ein??? Da wäre die Politik gefragt, aber….
Du bekommst nicht viele Kommentare unter deinen Block, weil hier alles öffentlich ist. Häusliche Gewalt findet im Geheimen statt – auch nach einer Trennung…
Bitte mach weiter! Trete für diese armen Frauen ein… Vielleicht schreibst du mal einer Politikerin ;(
Liebe Grüße Sanne
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Sanne. Es hört sich furchtbar an, was Du erlebst und erleidest. Und ja, ich werde weitermachen, aber ich bin noch auf der Suche wie.
Ich habe jahrzehntelang beruflich mit dem Thema „Gewalt“ in allen Facetten zu tun gehabt (43 J. Polizeidienst, davon über 37 J. Kripo mit Schwerpunkt Bearbeitung von Gewaltkriminalität einschl sex. Gewalt bis hin zu zahlreichen Tötungsdelikten, meist in Verbindung mit Beziehungsgewalt). Seit über 11 J. bin ich im Weißen Ring ehrenamtl. tätig, dazu noch in der örtlichen Agenda 21 im AK“Geschlechter gerecht“ enschließlich persönlicher Gewalterfahrung von Kindesbeinen an bis hin zur Beziehungsgewalt an mir. Dieses Problemfeld ist so vielschichtig, dass es der Einzelne in seiner Wirkungsgesamtheit fast nicht erfassen kann, da es meist keine klare Abgrenzung zwischen Täter und Opfer gibt, sondern irgendwie meist alle Beteiligten auf beiden Seiten eine Rolle spielen, die sie selbst gar nicht richtig beurteilen und einstufen können. Dabei ist diese Gewaltproblematik trotz zahlreicher Aufweichungsversuche und vielseitiger Bemühungen ein absolutes Tabu-Thema geblieben, trotz den jeweils schockierenden Untersuchungesergebnissen und Feststellungen zum Dunkelfeld. Ich kann Sie daher nur ermutigen, am Ball zu bleiben, es sind wohltuende, hilfreiche und ermutigende Beiträge, die ich bei Ihnen schon gelesen habe. Machen Sie weiter im Sinne: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ (Vaclav Havel)
Danke, Hans Birkle! Es macht mich sehr stolz, dass Sie mein Leser sind und dass Sie als Fachmann etwas mit meinen Beiträgen anfangen können.
Hey. Ohne selbst Erfahrungen mit Gewalt gemacht zu haben, gehöre ich zu deinen regelmäßigen Leserinnen. Das Thema ist wichtig und deine Texte sind informativ und gut geschrieben. Andererseits ahne ich, wie belastend das sein muss. Vielleicht ist es ja gar nicht nötig, so regelmäßig publizieren, sondern nur, wenn dir ein Thema wirklich auf den Nägeln brennt, oder du lässt Gastauroren ran und machst diese gute, fundierte Seite zu einer Plattform. Oder du wendest den Blog ins Persönliche, berichtest weiter über deine Befreiung und wie sie Blüten treibt.
Wie auch immer du dich entscheidest, ich finde das Blog war und ist eine gute Sache!
Danke Dr. Mo für Deinen Kommentar, Deine Rückmeldungen und Deine Anregungen. 🙂
Liebe Runa,
Fakt ist, dass ich erst auf Deiner Seite wirklich schriftlich gefunden habe, was ich brauchte, um meine Gewalterfahrungen in der Beziehung zu verstehen und auch zu verarbeiten. Getrennt hab ich mich bereits 2012 und ich schätze mich sehr gut in Selbst Reflexion ein.
Ich fand sehr ergreifend die Interviews mit Frauen und ihre Wege raus aus ihren grausamen Beziehungen.
Das hat mir gezeigt, dass ich nicht alleine bin.
Ich lese hier wirklich jeden neuen Artikel. Aber auch ich muss zugeben, daß ich auch schon dachte „Oarr nä, nicht schon wieder dieses Thema!“
Manchmal kommt es mir selbst zu den Ohren raus, manchmal kotzt es mich auch an, dass ich z.B.auf Partys oder Treffs immer immer wieder drauf angesprochen werde. Oft geh ich genau deswegen nicht hin – weil ich nicht andauernd mein Schicksal widerkäuen möchte.
Es gehört auch Mut dazu, zu sagen : heute hab ich keinen Bock auf meine eigene Story.
okay, auch das lerne ich!
Dennoch. …die Aufklärung gerade über diese psychische Gewalt innerhalb einer Beziehung ist so wichtig. Und deswegen rede ich auch drüber. Und deswegen möchte ich Dich bestärken, weiter zu machen.
Deine Seite ist Gold wert!
Ich bin sehr froh sie gefunden zu haben. Deine Berichte haben mir echt geholfen und sie werden anderen Frauen auch helfen.
Liebe Grüße! Eva
Liebe Eva,
wie schön, dass die Beiträge Dir schon so helfen konnten. Das freut mich. Vielen Dank für die tolle Rückmeldung! Ja, das Thema hängt einem manchmal zu den Ohren heraus und es ist nicht erbauend, darüber zu reden. Dennoch: es ist und bleibt wichtig, dass möglichst viele Menschen informiert werden und die richtigen Tipps erhalten. Und umgekehrt: mich beeindruckt immer wieder, wie stark viele Menschen sind, die solche Erlebnisse hinter sich gebracht haben und sich erfolgreich lösen konnten.
Herzliche Grüße!
Liebe rona,
Ich fände es sehr schade nichts mehr von dir zu hören. Du bist mir schon ein bisschen ans Herz gewachsen. Aber sicher ist es auch belastend was du tust. Aber es ist sehr wichtig und hilfreich. Vielleicht gönnst du dir mal eine Pause? Oder schreibst zwischendurch mal einfach über schöne Sachen? Ich würde das auch lesen. Muss ja trotzdem nicht belanglos sein.
Viele liebe grüße und alles Gute
BG
Liebe BG,
auch Du bist mir ans Herz gewachsen <3. Nein, ich werde nicht aufhören, aber ich glaube, dass es wichtig ist, regelmässig innezuhalten und sich zu fragen, ob das Schiff noch in die richtige Richtung fährt. Ja, mal sehen. Über schöne Sachen schreiben wäre auch mal was. 🙂
Herzliche Grüße!
Es darf nicht ruhig werden! Sonst wird sich nie etwas ändern!!!!
Liebe Runa,
wahrscheinlich ist dein Schiff gerade in einen Sturm geraten. Wenn sich dieser Sturm gelegt hat, wirst du erkennen, ob die Richtung noch stimmt.
Ich bin froh, dass es solche Menschen wie dich gibt und gerade für uns Frauen muss immer wieder Gehör verschafft werden. Aber natürlich musst du in erster Linie auf dich selbst achten und nur du kannst entscheiden, was geht und was nicht. Vielleicht hilft dir ja eine Art Supervision, um die Dinge, die du hörst und mit erlebst besser zu „verkraften“
Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft für die Zukunft!
Meike