Geduld mit Dir Über den Umgang mit Rückfällen

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Vor ein paar Tagen hatte ich ein längeres Telefonat mit Susanne, die immer wieder zu ihrem gewalttätigen Partner zurückgekehrt ist. Dieses Phänomen ist nicht selten. Ebenso selten erleben Frauen Verständnis, die diesen Schritt machen. Wie soll man schon verstehen, dass jemand zu einem übergriffigen oder gewalttätigen Partner zurückkehrt, wenn man die Dynamik einer Gewaltbeziehung nicht kennt?

Susanne erzählte, dass Sie sich gar nicht mehr traue, mit ihren Freunden oder ihrer Therapeutin ehrlich zu sprechen, weil sie schon wieder rückfällig wurde. (Da die Trennung aus einer Gewaltbeziehung einem Drogenentzug vergleichbar ist, kann man hier wirklich von Rückfall sprechen.) Es ist äußerst schwierig, sich schon im ganz normalen Alltagsleben von schlechten Gewohnheiten zu verabschieden. Noch schwieriger ist es aber, einer Beziehung zu entkommen, die aus einem Wechselbad von Nähe und Liebe und Erniedrigung und Gewalt besteht. Gerade wenn Kinder beteiligt sind, mit denen der gewalttätige Partner gut umgeht, kommt immer wieder die Hoffnung auf, dass es doch noch eine Chance auf Veränderung und Verbesserung der Situation gibt. Der Traum vom Happy End als glückliche Familie ist schwer zu verabschieden.

Susanne hat erkannt, dass ihr die Beziehung nicht gut tut. Dennoch fühlt sie sich schuldig. Obwohl sie sich weitestgehend von dem Schuldgefühl für das Verhalten ihres Partners befreit hat, fühlt sie sich nun schuldig, weil sie sich nicht nachhaltig aus der Beziehung befreien kann und immer wieder zurückkehrt. Sie dreht sich in einer Spirale auf der Suche nach den Motiven ihres Partners, auf der Suche nach Hoffnung für ihre Partnerschaft und auf der Suche nach ihrer Verantwortung und Schuld. Dennoch hat sie den Mut gefunden, sich Hilfe zu suchen, mit mir zu sprechen und ihre Schwierigkeiten zu benennen.

Wenn Du selbst diese Situation kennst, möchte ich Dich ermutigen, geduldiger und freundlicher mit Dir selbst zu werden und gnädiger mit Dir umzugehen. Die Erkenntnis Deiner Situation ist wichtig. Es ist auch wichtig zu erkennen, dass die vergangenen Schritte auf der Suche nach einer Lösung nicht hilfreich waren. Du bist vielleicht viele falsche Wege gegangen, hast viel versucht und musstest wieder umkehren, weil es nicht weiterging. Manchmal müssen wir immer und immer wieder erfahren, dass am Ende eines Weges eine Wand ist, die wir nicht durchdringen können oder ein Abgrund, der nicht überwindbar ist. Wir müssen uns vom Traum verabschieden, dass es für jedes Beziehungsproblem eine Lösung innerhalb der Beziehung gibt. Das ist schwer in einer Welt, in der suggeriert wird, dass alles möglich ist, wenn man sich nur genug anstrengt.

Manchmal muss man viele hunderte Male denselben Fehler machen, um endlich zu erkennen und sich einzugestehen, dass man keine Lösung finden wird und dass der andere und die Beziehung sich nicht ändern wird. Da dieser Erkenntnis häufig schwerwiegende Veränderungen im gesamten bisherigen Leben folgen, ist es ganz klar, dass da große Ängste hochkommen. Lieber dreht man dann doch noch einmal eine Ehrenrunde und macht noch einen letzten Versuch auf dem alten Weg.

Wenn Du dann schließlich an den Punkt gelangst, an dem Dir klar ist, dass es so wirklich nicht weitergeht, darfst Du Dir erst einmal für die vielen Fehlversuche der Vergangenheit verzeihen. Nur weil Du viele, viele Male in die falsche Richtung gelaufen bist, heißt das nicht, dass Du einen anderen Weg nicht mehr gehen darfst. Es heißt auch nicht, dass Du Dich für immer und ewig für Deine Fehlversuche schämen musst. Das raubt Dir nur Kraft. Was Du in der Vergangenheit getan hast, liegt hinter Dir. Irgendwann, wenn es wieder ruhiger um Dich wird, kannst Du zurückblicken und Dich fragen, warum das wohl so war und was Dich immer wieder auf diesen Weg geführt hat.

In dem Moment der Erkenntnis und in dem Moment, in dem Du die Richtung änderst, finde ich es aber wichtig, nach vorne zu schauen. Jeder Mensch hat zu jeder Zeit das Recht, sein Leben zu ändern – egal, was vorher geschehen ist. Die Vergangenheit muss Dich nicht ausbremsen. Stattdessen kann sie für Dich ein Motor sein. Du kannst Dir selbst sagen: Ich habe mein Bestes versucht. Jetzt habe ich erkannt, dass mich das nicht weitergeführt hat. Das, was ich mir so sehr gewünscht habe, ist nicht eingetreten. Jetzt erlaube ich mir, etwas ganz Neues auszuprobieren, auch wenn es erstmal ungewohnt und schwer ist.

Dein Fokus liegt dann auf Deinen Möglichkeiten und nicht auf dem, was alles nicht gelungen ist. Erlaube Dir zu scheitern und erlaube Dir – trotz Deines Scheiterns – auch wieder glücklich zu werden.

Wenn Du Dich selbst so sehen würdest wie eine Freundin:

  • Würdest Du es ihr nicht gönnen, dass sie wieder glücklich wird, auch wenn sie Schweres erlebt hat und viele Fehler gemacht hat?
  • Würdest Du ihr die Fehler immer weiter nachtragen?
  • Würdest Du von ihr erwarten, dass sie sich für immer im Keller verkriecht und für ihre Fehler büßt?
  • Würdest Du ihr sagen: Du hast es so oft falsch gemacht, es wird Dir doch nie gelingen es anders zu machen?

Wenn Du Dich selbst als beste Freundin wahrnimmst und einmal versuchst, mit Dir selbst so umzugehen wie mit einem geliebten Menschen, kannst Du lähmende und verurteilende Denkmuster besser erkennen und verändern.

Wenn Du dann einen neuen Weg einschlägst und Dich endlich aus der schädigenden Beziehung befreist, gönne Dir die Geschwindigkeit, die Du schaffen kannst. Gehe Schritt für Schritt. Bei manchen geht das schneller, bei anderen langsamer. Jeder hat sein eigenes Tempo. Dein Tempo sagt nichts über das Gelingen und schon gar nichts über Deinen Wert als Mensch aus. Auch ein Rückfall sagt nichts darüber aus, ob Du ein starker oder schwacher Mensch bist. Es sagt eher etwas darüber aus, dass Du es immer noch nicht ganz verstanden hast, dass Du eine weitere bittere Bestätigung der Wahrheit brauchst. Erkenne jeden einzelnen kleinen Schritt an, den Du zur Verbesserung Deiner Situation machst.

Wenn Du den ersten Erkenntnisschritt schon geschafft hast, dass das was Du erlebst nicht richtig ist, kommst Du bei einem Rückfall schneller wieder zu der Erkenntnis zurück, dass es wirklich nicht geht, dass Deine Wahrnehmung stimmt. Wenn Du also noch einen Umweg nehmen musstest, verzeihe Dir auch den und gehe weiter in eine andere Richtung.

Für diese neuen Wege wirst Du all Deinen Mut und Deine Kraft brauchen. Daher bemühe Dich, diese Kraft nicht im Grübeln über Deine Fehler der Vergangenheit zu binden. Auch Du darfst Fehler machen. Und Du darfst sie dafür nutzen, am Ende genauer zu wissen, was Dir wirklich gut tut und was Dich wirklich glücklich macht.


Bild: Pixabay, fda54

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